In einem vor kurzem erschienenen Buch "Sucht und Suchtbehandlung, Problematik und Therapie in Österreich" werden die neuesten Erkenntnisse und Fakten zum Thema aufgearbeitet. Neben der Darstellung wichtiger Suchtformen - z. B. Alkoholismus, Medikamentenabhängigkeit, illegale Sucht, Tabak- und Nikotinabhängigkeit, Spielsucht, Internetsucht - werden die definierte Krankheit und das gesellschaftliche Phänomen von verschiedenen Blickwinkeln her beleuchtet. Einzelne Spezialthemen, wie etwa Co-Abhängigkeit und Suchtprävention in Betrieben runden das vielschichtig aufbereitete Wissen ab.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Im Autorenverzeichnis des von Renate Brosch (Leiterin der Drogenentzugs- und Kurzzeittherapiestation des Anton Proksch-Instituts) und Rudolf Mader (ehemaliger ärztlicher Leiter des Instituts) herausgegebenen Buches findet sich das "Who is Who" der österreichischen Suchtforschung. Dementsprechend komplex wird das Thema behandelt. Wenn man bedenkt, dass Alkohol und Drogen bei mehr als der Hälfte aller Straftaten eine Rolle spielen, aber auch nicht an Substanzen gebundene Süchte das Strafrecht berühren, etwa die Spielsucht, dann sticht die enorme forensische Bedeutung dieser Problematik ins Auge. Dem geht Reinhard Haller, Chefarzt am Krankenhaus Maria Ebene und Stv. Vorstand des Instituts für Suchtforschung der Uni Innsbruck, nach.
Dass sich die Differenz der Geschlechter auch in unterschiedlichem Suchtverhalten manifestiert, Männer und Frauen schwerpunktmäßig anderen Süchten erliegen, wird in einem sehr interessanten Artikel von Irmgard Eisenbach-Stangl, Mitarbeiterin des Ludwig Bolzmann-Instituts für Suchtforschung dargelegt.
So ist etwa der Alkohol die Domäne der Männer. Alle wichtigen Studien zu dieser Frage weisen die alkoholischen Getränke als Droge der Männer aus und zeigen, dass sich in der Altersgruppe der etwa 30- bis 60-Jährigen die intensivsten Konsumenten finden. Umgekehrt sieht es bei den Psychopharmaka aus. Frauen gebrauchen Psychopharmaka aller Art mindestens doppelt so häufig wie Männer. Das, so die Autorin, hänge mit der traditionellen Frauenrolle zusammen.
Während alkoholische Getränke, Tabakwaren und illegale Suchtmittel "soziale Drogen" seien, die in gesellschaftlichen Kontexten konsumiert werden und dazu dienten, "den Kontakt zu anderen unmittelbar zu erleichtern, das Zusammensein positiv zu unterstreichen", gehören Psychopharmaka in die Sphäre des Privaten und Intimen, "die traditionell die Sphäre der Frauen ist". Darüber hinaus zeige sich, dass Suchtprobleme bei Frauen häufig mit Missbrauchproblemen verbunden seien, so die Autorin.
Enorm ist auch die Anzahl der durch Alkoholismus Mitbetroffenen. Schätzungen zufolge leben in Österreich etwa eine Million Menschen in enger Gemeinschaft mit einem Alkoholabhängigen. "Meist sind dies Lebenspartner oder Kinder, eventuell auch Eltern", so Wolfgang Preinsperger, Oberarzt am Anton Proksch-Institut.
Neben einer Reihe an biologischen Komponenten und biologistischen Erklärungsmodellen für die Entstehung einer Suchtkrankheit finden sich in sehr vielen Artikeln immer wieder auch psychologistische, vor allem an der Psychoanalyse orientierte Suchttheorien, was das Buch, da immer wieder das Selbe zur Sprache kommt, etwas redundant erscheinen lässt.
Aus einem großen Verstehens- und Wissenshorizont heraus geschrieben sind die Beiträge "Jugendkultur und Drogengebrauch" bzw. "pleasure and death" von Alfred Springer, dem Leiter des Ludwig Bolzmann-Instituts für Suchtforschung. Springer verweist auf die zwiespältige Rolle, die Drogen in unserer Kultur spielen. So ist etwa Cannabis in der Popkultur eine oft besungene und gewürdigte Droge, gleichzeitig wird aber Konsumverzicht gefordert.
Mit einem kurzen Leitfaden für Betroffene, Angehörige und professionelle Betreuer von Suchtkranken, und einer Adressliste von suchtspezifischen Einrichtungen schließt die Bestandsaufnahme zum Thema Sucht in Österreich.
Renate Brosch, Rudolf Mader, Sucht und Suchtbehandlung, Problematik und Therapie in Österreich, Lexis Nexis Verlag, Wien 2004, 492 Seiten.