Hühnereier sind nicht Ursache eines hohen Cholesterinspiegels. Gleichzeitig ist sie zu meiden kein Mittel, um ihn zu senken.
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Die frohe Osterbotschaft lautet: Greifen Sie doch einfach zu. Wer sich bisher den Verzehr von hübsch gefärbten Ostereiern versagt hat, kann seine Enthaltsamkeit über Bord werfen, denn Hühnereier sind nicht die Ursache eines zu hohen Cholesterinspiegels. Gleichzeitig ist sie zu meiden kein Mittel, um ihn zu senken. Und das ist der für manche betrübliche Teil der Botschaft: Wer einen erblich bedingt hohen Cholesterinspiegel hat, sich regelmäßig bewegt und die Farbe Grün auf dem Teller kennt, kann durch eine weitere Umstellung der Ernährung nur wenig erreichen.
Doch der Reihe nach. Cholesterin ist ein in tierischen Zellen vorkommender fettartiger Naturstoff. Als Bestandteil der Zellmembran ist er lebensnotwendig für Stoffwechselprozesse. Er wird zu 80 Prozent vom Körper gebildet, nur der kleinere Teil wird mit der Nahrung aufgenommen. Die Aufnahme aus dem Darm ist ein aktiv regulierter Prozess. Vor allem in der Leber regulieren spezielle Rezeptoren auf den Leberzellen, die LDL-Cholesterin-Rezeptoren, die Konzentration von Cholesterin im Blutkreislauf, heißt es auf der Homepage der Deutschen Herzstiftung.
Ernährung trägt wenig bei
Zu viel Cholesterin an der falschen Stelle führt allerdings zu ernsthaften Gesundheitsschäden durch Gefäßverkalkungen (Arteriosklerose) und damit zu einem erhöhten Risiko für Durchblutungsstörungen, Herzinfarkt und Schlaganfall. "Cholesterin wird zum Problem, wenn es in der falschen Verpackung an der falschen Stelle ist, also wenn es als LDL-Cholesterin verpackt ins Blut und in die Gefäßwand gelangt", erklärt Ulrich Laufs, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig. Verkalkungen mit den Ausprägungen Herzinfarkt oder Schlaganfall seien die Haupttodesursache auch bei Frauen noch vor Brustkrebs.
Der Leber-Stoffwechsel, der das Cholesterin im Blut reguliert, ist sehr wesentlich genetisch programmiert. Dass die Ernährung eine kleinere Rolle spielt, lassen manche Empfehlungen der Nahrungsmittelindustrie allerdings nicht vermuten. Zahlreiche Tabellen informieren über Speisen, die reich sind etwa an Omega-3-Fettsäuren, welche das LDL-Cholesterin senken können, wie Fische, Fischöl, Leinsamen oder Nüsse. "Eine ausgewogene Essgewohnheit wirkt sich in der Regel positiv auf Ihre Gesundheit aus", wird etwa Stefan Lorkowski, Lehrstuhlinhaber für Biochemie und Physiologie der Ernährung der Universität Jena, auf einem Portal namens "Eat better" zitiert, wo auch eine Rubrik namens "Change your Habits mit Danone" - ein globaler Lebensmittelkonzern - zu finden ist.
"Die Interessen der Nahrungsmittelindustrie führen dazu, dass Konsumenten vorgegaukelt wird, dass man durch Gaben spezieller Produkte, die man im Alltag zusätzlich noch einnehmen sollte, Gesundheitseffekte erreichen könnte, doch das ist unzutreffend", sagt Laufs. Er spricht von epidemiologischen Studien mit assoziativer Herangehensweise, etwa durch Beobachtung dessen, wer was isst und welche Gesundheitseffekte er oder sie hat. Die Vorgangsweise entspreche nicht dem wissenschaftlichen Goldstandard randomisiert kontrollierter Studien, in denen eine Hälfte der Probanden Medikament A und die andere ein Placebo bekommt, um zu vergleichen, welche Effekte in beiden Gruppen auftreten.
Zurück zum Cholesterin, dessen Gehalt im Blut zu nur 20 Prozent über die Ernährung reguliert wird. Heißt das, es ist nicht rasend wichtig, was wir essen? Nein. Sehr wohl aber kommt es auf den individuellen Ausgangszustand an, ob insbesondere der Cholesterinspiegel sich über die Nahrung senken lässt. "Wenn man nur vor dem Bildschirm sitzt und aus der Fritteuse lebt und dann seinen Lebensstil umstellt, sich körperlich bewegt und die Kalorienzufuhr reduziert, wird auch das LDL-Cholesterin um 20 bis 30 Prozent sinken", erklärt Laufs. Hingegen sei hohes Cholesterin bei Schlanken, die körperlich aktiv sind, selbst kochen und ausreichend Gemüse essen, "immer genetisch bedingt". Selbst durch eine zusätzliche Umstellung der Ernährung, etwa durch einen veganen Speiseplan, könnten diese Personen das Cholesterin nicht weiter senken. Selbiges gelte für Diabetiker. Da diese aber ein höheres kardiovaskuläres Risiko haben, profitieren sie in absoluten Zahlen stärker von einem gesunden Speiseplan.
Übergewicht und Hypercholesterinämie sind überlappende Entitäten, jedoch unterschiedliche molekulare Prozesse. Zugleich stellt sich nach Osterschinken und Osterlamm die Frage, ob es gesund wäre, nicht nur (wenn überhaupt) zwischen Aschermittwoch und Auferstehung zu fasten, sondern öfter im Jahr. "Nicht für das Cholesterin, aber für das Körpergewicht ist die Kalorienmenge entscheidend", erklärt Laufs. "Dabei ist es egal, wie man eine Gewichtsreduktion anstrebt, ob durch Intervall- oder Heilfasten oder einfach durch kleinere Portionen: Es kommt ausschließlich auf die Zahl der Kalorien an, die in den Magen kommen."
Eine Frage der Genetik
Der Kardiologe sieht keinen Hinweis, dass eine "Katharsis durch Fasten" die Gesundheit steigert. "Das ist eine Vorstellung vieler Religionen über Jahrtausende, meist wie in unseren Breiten zu Zeiten, wo die Keller leer waren, man noch nichts ernten konnte und die Tiere bereits geschlachtet waren." Für die Gefäßgesundheit sei es entscheidend, nicht zu rauchen und körperliche Bewegung zu machen, die einen drei Mal die Woche ins Schwitzen bringt. Menschen mit einem Body Mass Index von über 30 würden durch Abnehmen ihre Gesundheit fördern, Personen mit einem BMI von 25 oder 20 könnten aber mit einer Gewichtsreduktion keine zusätzlichen Effekte erzielen.
Abschließend zurück zum Ei. Seine Vitamine B, E, D und K sowie Kalzium, Phosphor, Eisen, Folsäure und Lecithin sind für die Ernährung sinnvoll. "Wenn man gesund isst und kein Cholesterinproblem hat, kann man täglich ein Ei essen, oder bei hohem Cholesterinspiegel zwei Eier pro Woche", sagt Laufs: "Und definitiv haben auch Optimismus und Feiern positive kardiovaskuläre Effekte - es gibt keinen Grund, jemandem Ostereier zu verbieten." In diesem Sinn: Frohes Fest!