EU-Kommission möchte Energiesicherheit stärken und Mitgliedstaaten dazu bringen, ihren Nachbarn im Krisenfall zu helfen.
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Brüssel. Sicherheit und Solidarität: Bei der Errichtung der Energieunion sollen dies die Eckpfeiler sein. Zumindest wenn es nach den Wünschen der EU-Kommission geht. Die Brüsseler Behörde legte ein Maßnahmenpaket vor, das die Versorgung mit Strom und Gas gewährleisten und die Gemeinschaft in Krisensituationen weniger anfällig machen soll. Denn nicht zuletzt der Konflikt um die Ukraine zeigte auf, dass die Schwächen des Binnenmarktes die Auswirkungen von außen noch vergrößern. Die seit Jahren beschworene Diversifizierung, eine Verbreiterung der Quellen und Anbieter geht nämlich nur unter Mühen voran, und so bleibt auch die Abhängigkeit vor allem von einem Lieferanten groß: Russland.
Von dort beziehen die Europäer 27 Prozent ihres Gasbedarfs, durch eigene Förderung wird nur knapp mehr gedeckt. Aus Norwegen stammt ebenfalls knapp ein Viertel und aus Algerien kommen 8 Prozent. Da aber auf Erdgas auch in Zukunft ein wesentlicher Anteil des Energieverbrauchs entfallen wird, müssten nun auch begleitende Maßnahmen ergriffen werden. Zu diesen zählt die Kommission eine Erhöhung der Gasspeicherung, leichteren Zugang zu Flüssigerdgas und mehr Energieeffizienz.
Um das Eigenpotenzial der EU besser zu nutzen, sollen die Mitgliedstaaten außerdem zur Solidarität verpflichtet werden. Künftig sollen sie ihren Nachbarn in schweren Krisenfällen helfen, um dort die Gasversorgung der Privathaushalte und sozialer Dienste - etwa im Gesundheits- oder Sicherheitsbereich - zu stützen. Dafür müsste die Kooperation und Abstimmung der Länder untereinander gestärkt werden. Notfallpläne sollten auf einer regionalen Ebene ausgearbeitet werden.
Tiefer Einblick in Gasverträge
Für Diskussionen könnte ein weiteres Vorhaben der Kommission sorgen. Die Behörde möchte nämlich tieferen Einblick in Gaslieferverträge haben. Künftig sollen ihr Abkommen, die ein EU-Land mit einem Drittstaat abschließen will, noch vor der Unterzeichnung vorgelegt werden. Denn danach ließe sich ein Vertrag nur schwer ändern, selbst wenn er gegen EU-Regeln verstoße, begründete Energiekommissar Miguel Arias Canete. Daher sollen die Länder schon die Entwürfe ihrer zwischenstaatlichen Übereinkommen nach Brüssel schicken, wo dann innerhalb von sechs Wochen Bedenken angemeldet werden können. Kein Vertrag werde ohne Stellungnahme der Kommission unterschrieben, erklärte Canete.
Es gehe nicht darum, in den Verträgen "herumzuschnüffeln" und beispielsweise Preise zu überprüfen, fügte der Spanier hinzu. Vielmehr sei dafür zu sorgen, dass die Versorgungssicherheit der EU und das Funktionieren des Binnenmarkts nicht gefährdet seien. Daher sollen auch Abkommen zwischen Unternehmen in bestimmten Fällen unter die Lupe genommen werden: Sie müssen offengelegt werden, wenn ihre Laufzeit ein Jahr überschreitet und sie mehr als 40 Prozent des Marktes betreffen.
Zwist um Nord Stream II
Falls die EU-Staaten und das Europäische Parlament diesen Plänen zustimmen, könnte dies unter Umständen auch den russischen Staatskonzern Gazprom zu mehr Transparenz zwingen. Und den Zwist um die geplante Ostsee-Pipeline Nord Stream II erneut anfachen. An dem Vorhaben sind Gazprom sowie deutsche Unternehmen wie die BASF-Tochter Wintershall oder Eon beteiligt, aber auch der österreichische Konzern OMV. Einige osteuropäische Staaten mit Polen an der Spitze kritisieren das Projekt heftig, weil es zwar Deutschland zum Hauptverteiler für russisches Erdgas in Westeuropa macht, aber Transitländer wie Polen und die Ukraine schwächt. Das Thema stand sogar schon auf der Agenda eines Gipfeltreffens der EU-Staats- und Regierungschefs.
Dennoch betont die Regierung in Berlin stets, dass Nord Stream II ein rein wirtschaftliches und kein politisches Vorhaben sei. Diese Darstellung weisen aber nicht nur die skeptischen Mitgliedstaaten zurück. Auch die EU-Kommission hat ihre Zweifel. "Ich habe noch kein rein kommerzielles Projekt erlebt, das so oft auf höchster politischer Ebene diskutiert wurde", sagt der für Energiefragen zuständige Vizepräsident Maros Sefcovic. Die Behörde prüft derzeit, ob die Pläne mit EU-Recht vereinbar sind.