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Zur Superwoman zwangsverpflichtet

Von Martina Madner

Politik

Traditionelle Rollen "feierten" während des Corona-Shutdowns ein Revival. Ausgelagerte Erziehungs- und Kinderbetreuungsarbeit übernahmen hauptsächlich wieder Frauen - nicht Männer.


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Andrea Czak ist Alleinerzieherin, ihre 14-jährige Tochter besucht normalerweise eine AHS. Mit dem Corona-Shutdown waren beide plötzlich Stress ausgesetzt: "Gerade am Anfang war das Homeschooling eine riesige Herausforderung, die Lehrer überschütteten uns mit Aufträgen, meine Tochter war mit den vielen E-Mails der Lehrer überfordert. Ich musste ihr erst beibringen, wie man E-Mails schreibt, einen Anhang dazuhängt, einen Lernplan aufstellen - und die Lehrer haben sich auch gleich gemeldet, wenn am Abend nicht alles pünktlich ankam."

Dazu die soziale Isolation, "die Großeltern nicht mehr sehen, die Freunde, das ganze soziale Netz ist weggebrochen. Es ist dann alles an mir hängengeblieben", erzählt Czak. "Ich war überlastet, eigentlich überfordert, mein Körper hat mir mit einem Hexenschuss gesagt: Jetzt ist Schluss." Die Hausarbeit musste ihre Tochter übernehmen: "So hat sie gesehen, was da alles zu machen ist."

Gerade auf Arbeitsuche ist Czak zwar mit der Sorge belastet, ob ihr das in Zeiten von Massenarbeitslosigkeit gelingt, nicht aber durch Erwerbsarbeit. Von Alleinerzieherinnen in ihrem Umfeld weiß sie aber: "Das war fürchterlich mit Job. Da waren viele komplett am Limit. Aber die Baumärkte waren wichtiger als die Frauen. Der große Unmut ist schon da, der große Aufschrei folgt."

Alte Rollenmuster

Tatsächlich waren Alleinzieherinnen im Durchschnitt mit 15 Stunden Arbeit pro Tag die am meisten Belasteten in der Corona-Krise. Die Ökonominnen Katharina Mader von der Wirtschaftsuniversität Wien und Franziska Disslbacher von der Arbeiterkammer Wien befragten Frauen und Männer während des Shutdowns, wofür sie ihre Zeit jeweils im Viertelstundentakt verwendeten.

Nun ist das Ergebnis der 2113 Fragenbögen der WU-AK-Zeitverwendungserhebung vor: Dass es die Alleinerzieherinnen mit 9,1 Stunden Haus- und Kinderbetreuungsarbeit und zusätzlich 5,8 Stunden Erwerbsarbeit an Werktagen am meisten traf, erstaunte beide Ökonominnen nicht. "Das hat nur nochmals deutlich gemacht, wie wichtig Schule und institutionelle Kinderbetreuung für Erwerbsarbeit ist", sagt Disslbacher.

Sehr überraschend war dagegen für Mader, "dass dort, wo es einen Partner im gleichen Haushalt gibt, die Frauen sogar noch mehr Stunden als Alleinerziehende für Hausarbeit und Kinderbetreuung verwendet haben." Mit dem Wegbrechen der Schule und der Kindergärten ist diese Arbeit gerade in Haushalten mit Kindern offenbar vermehrt zu den Frauen gewandert: Hier berichten Frauen im Durchschnitt von 9,4 Stunden unbezahlter Arbeit, 6,0 davon fürs Lernen, Versorgen, Betreuen und Freizeitgestalten der Kinder sowie 3,4 Stunden für Putzen, Kochen und andere Haushaltsarbeit. Dazu kamen 4,8 Stunden Erwerbsarbeit. Ihre Partner übernahmen dagegen durchschnittlich 2,9 Stunden unbezahlte Hausarbeit und 4,0 Stunden mit den Kindern, gingen 6,9 Stunden ihrer Erwerbsarbeit nach. "Das Recht auf Pause hat nur der Vater", merkte eine Frau im Fragebogen an.

"Frauenarbeit" blieb bei Frauen

Was die Erhebung sichtbar machte, ist also, dass "es mit dem ersten Kind eine Zäsur gibt und das traditionelle Familienbild wie in den 50er-Jahren wieder in den Haushalt einzieht", sagt Mader. Untermauert wird das durch jene Fälle, in denen beide Partner im Homeoffice arbeiteten. Während sich die kinderlosen Paare Einkaufen, Kochen, Putzen und andere Hausarbeit mit jeweils drei Stunden und ihre Zeit für Erwerbsarbeit gleich mit 7,7 Stunden pro Tag teilten, war das in reinen Homeoffice-Haushalten mit Kindern deutlich anders: Frauen verwendeten 8,6 Stunden für unbezahlte, 5,6 für bezahlte Arbeit. Männer arbeiteten 6,7 davon unbezahlt und 7,1 bezahlt.

Diese Schieflage bei der Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit gibt es zwar über alle Berufgruppen und Bildungsniveaus hinweg: Sie zeigte sich bei den besser Verdienende mit höheren Abschlüssen nur jetzt im Shutdown mehr, weil sie davor Teile der Betreuungs- und Hausarbeit zumeist wieder andere Frauen ausgelagert hatten, was nun wegen der Ansteckungsgefahr nicht ging.

"Ich vermisse unsere Putzfrau", merkte eine Akademikerin im Homeoffice mit Kind an. "Es gibt jetzt keine Schul- und keine Unternehmenskantine; ich muss drei Mal täglich kochen, das ist erheblich mehr Aufwand." - "Ich kann dir nicht helfen, ich arbeite ja weiterhin viel", hieß es dazu von ihrem Mann. Mader schließt daraus: "Jene, die sich solche Dienstleistungen zukaufen konnten, hatten oft die Illusion von Gleichberechtigung. In Wahrheit haben das manche Frauen aber nie mit dem eigenen Partner fair ausverhandelt".

Neu bewerten und verteilen

Zwar funktionierte die coronabedingte Zwangsrevival von Kindern als Frauenangelegenheit zwar irgendwie doch. "Ich kann gar nicht sagen, wie unmöglich es ist, Kinderbetreuung und Homeoffice zu vereinbaren", merkte aber eine Befragte an. Eine andere sprach von Aufgaben für einen 36-Stunden-Tag und sagte: "Ich bin wohl Superwoman".

Weder Frauen noch Männer geben sich der Illusion hin, dass Arbeit nur durch das Ende der Krise zugunsten von Frauen besser verteilt wird: Frauen gehen davon aus, dass es zwar wieder weniger unbezahlte Arbeit wird, sie davon weiterhin mehr übernehmen. Manche Männer haben aus Belastung in der Krise gelernt, dass sie danach noch weniger Stunden als vor dem Shutdown übernehmen wollen.

Um eine gleichere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zu erreichen, würden sich beide Ökonominnen nicht auf Verhandlungen in den Familien verlassen, sondern Strukturen verändern. Ihre Vorschläge reichen von einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, höheren Einkommen in typischen Frauenbranchen und leistbaren soziale Dienstleistungen bis hin zu einem Kinderkarenzmodell, das gleiche Zeiten für Mütter und Väter vorsieht. "Das stärkt die Verhandlungsposition von Frauen", sagt Mader. "Es kann nicht sein, dass die Gesellschaft Krisen auf Kosten von Frauen durchsteht", sagt Disslbacher.