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Unnachgiebige Außenpolitik dient der Profilierung. | Politologe spricht von Machtkampf in Chinas KP.
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"Wiener Zeitung":Herr Klimburg, es ist viel von der Wirtschaftsrivalität zwischen China und den USA die Rede. In den letzten Jahren wurde parallel dazu auch politisch-militärisch aufgerüstet, hat China seinen Ansprüchen im Südchinesischen Meer neuen Nachdruck verliehen. Worum geht es dabei?
Alexander Klimburg: Zunächst einmal ist es - für China und die Anrainerstaaten vor allem - ein Streit um die dort lagernden Öl- und Gasreserven, die China für seine Energiesicherheit als unerlässlich betrachtet. Die Chinesen haben seit jeher panische Angst davor, vom Ausland abhängig zu sein. Das hat man bei der Produktion von Lebensmitteln so gehalten, bei der Energiesicherheit ist das ähnlich.
Woher kommt das?
Unabhängigkeit vom Ausland wurde seit Mao als eines der wichtigsten strategischen Ziele Chinas definiert. Historisch betrachtet war die Abhängigkeit Chinas vom Ausland auch eher gering. Dass der Rest der Welt China weit nötiger hat als China den Rest der Welt, ist ein chinesischer Kernsatz.
Aber ist das heute noch zutreffend?
Nein, aber die Chinesen tun sich mit dieser Einsicht sehr schwer, weil dieses Denken tief verwurzelt ist. China heißt ja auch "Zhongguo", also "das Reich der Mitte", alles andere ist mithin Peripherie. Man will die Rohstoffe, die Lebensmittelproduktion und dergleichen selbst kontrollieren, um nicht "den Imperialisten ausgeliefert" zu sein. Dabei ist man besonders auf Energiesicherheit bedacht. CNOOC, der chinesische Ölmulti, ist überall auf der Welt aktiv und oft viel schneller als die westliche Konkurrenz.
Braucht es da die Reserven im Südchinesischen Meer?
Naja, nach chinesischen Angaben lagert dort zehnmal so viel Öl, wie China derzeit besitzt, und das Vierzehnfache der jetzigen Gasreserven. Das behauptet zumindest die chinesische Führung. Viele halten die chinesischen Angaben aber noch für untertrieben. Denn warum sollten sie die Chinesen auch allzu hoch ansetzen? Um das Begehren der Anrainerstaaten zu wecken, die Reichtümer aufzuteilen?
Also ein Spiel mit hohem Einsatz.
Derzeit versuchen mehrere Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres, ihre "Claims" abzustecken. Am aktivsten machen das Vietnam und die Philippinen. Vietnam hat ja vor kurzem auch zwei Förderlizenzen verteilt, eine davon an das amerikanische Unternehmen Exxon. Da sind die Chinesen ziemlich nervös geworden. Ein vietnamesisches Forschungsschiff wurde dann auch von der chinesischen Küstenwache abgedrängt - von der Küstenwache, nicht von der Flotte, was auch ein Signal ist. Etwa so: "Ihr befindet Euch jetzt auf unserem Territorium".
Also geht es hauptsächlich um Öl und Gas?
Nicht nur, auch um Geopolitik. Für die Chinesen spielt sich heutzutage eine "Wiederkehr Chinas" auf die Weltbühne ab. Nach dieser Sicht war man Jahrhunderte lang aus der Weltpolitik ausgeschlossen und das Land hat seine angestammte Rolle als asiatische Führungsmacht nicht spielen können, da das von den europäischen Kolonialmächten wirtschaftlich und militärisch unterbunden wurde. Man darf nicht vergessen: Die chinesische Hymne beginnt schließlich mit "Qilai!"- also: steh auf, China! Steh auf! Die Kommunisten fühlen sich für den Schutz und den Stolz Chinas zuständig. In den 90er Jahren hat man beispielsweise eine historische Figur wieder entdeckt, den Admiral Zheng He. Der segelte schon im 15. Jahrhundert bis nach Arabien und Ostafrika, ehe eine nach kommunistischer Darstellung verblödete Administration die Expeditionen gestoppt hat. Damit habe China, heißt es, sich in seiner Weltführungsrolle beschnitten. Die Botschaft, die die Kommunisten dabei aussandten, war klar: China soll zurückkehren auf die Weltmeere. Es war die Begleitmusik zum Flottenbauprogramm, das auch den Bau eines Flugzeugträgers mit einschloss. Das ist auch eine Prestigefrage, vor allem innenpolitisch.
Um sich im Sinne einer Politik der Stärke zu profilieren?
Im Jahr 2012 steht in China ein größerer Machtwechsel an der Spitze von Staat und Partei bevor - nicht nur in der unmittelbaren Führung des Präsidenten und Premierministers, deren Nachfolger wahrscheinlich schon feststehen. Die anderen Posten sind noch offen und so kommt es im Moment zu eher ungewöhnlichen Szenen in der chinesischen Innenpolitik, wie zum Beispiel einer Renaissance des Maoismus in manchen Kreisen. Medienwirksam hat sich vor allem Bo Xilai, der Parteichef der zentralchinesischen Stadt Chongqing, mit der Wiederentdeckung von Mao-Liedern und dergleichen hervorgetan. Es gibt da innerhalb der 80 Millionen Mitglieder zählenden KP durchaus auch Druck von unten, den die eher pragmatische Führung nicht gerne sieht.
Fürchtet man im Wirtschaftswunderland den Aufstand?
Die Partei ist fast hysterisch darüber besorgt, dass es ausgerechnet 2012 zu Unruhen kommen könnte. Man hat immer gesagt, wenn das Wirtschaftswachstum unter acht Prozent fällt, kommt es in der Landbevölkerung zu Revolten. Obwohl das Wirtschaftswachstum zwar, wenigstens zur Zeit, stabil über acht Prozent liegt, haben die Preise für Grundnahrungsmittel in den letzten Jahren bereits stark angezogen. In so einer Situation kommt die Führung auch innerparteilich unter Druck. Mit einem harten außenpolitischen Kurs kann man sich jedenfalls gut profilieren.