Innerhalb von zehn Tagen will sich der Krankenanstaltenverbund mit den Ärzten einigen, ansonsten droht ein neuer Streik - für Gesundheitsexperten Ernest Pichlbauer könnte der eingeschlagene Weg nun die Lösung bringen.
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Wien. Die Wiener Ärztekammer und Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) haben sich am Mittwoch zu einem Gipfeltreffen im Rathaus getroffen. Vereinbart wurde, dass mit dem Krankenanstaltenverbund (KAV) in den kommenden zehn Tagen Gespräche über die strittigen Punkte geführt werden. "Dann werden wir weitersehen", sagte Thomas Szekeres, Wiener Ärztekammer-Präsident im Anschluss. Wehsely gehe es darum, eine Lösung zu finden, wie sie betonte.
Dass sich Wehsely und Szekeres wieder an einen gemeinsamen Tisch setzen, scheint schon ein großer Schritt zu sein. Der monatelange Streit mit den Ärzten gipfelte am Montag in einem Warnstreik, bei dem rund 2000 Ärzte teilgenommen hatten. Die Ärzte des KAV kritisieren die weitere Reduzierung von Nachtdiensten. Es sei ausgemacht gewesen, dass zuerst die zentralen Notaufnahmen aufgebaut würden. Der KAV will seinen Plan aber durchziehen und weitere Nachtdienste streichen. Weiters wird über die Einführung der 12,5-Stunden-Dienste gestritten.
Beide Seiten, sowohl Szekeres als auch die Stadträtin, unterstrichen, dass das etwas mehr als eine Stunde dauernde Gespräch sachlich geführt worden sei. Wobei der Kammerpräsident hinzufügte: "Die Fronten sind jetzt nicht ausdiskutiert worden, weil sonst das Klima wahrscheinlich gelitten hätte. Aber wir haben versucht, sachlich die Probleme anzusprechen."
Man habe der Stadträtin "mit Nachdruck" mitgeteilt, so Szekeres, dass die Streichung von etwa 15.000 Nachtdiensten jährlich zurückgenommen werden müsse. Auch dürfe die Einführung von 12,5-Stunden-Diensten nicht ohne die Zustimmung der betroffenen Ärzte erfolgen. Und die Weisung, dass keine Überstunden erfolgen dürfen, müsse ebenfalls zurückgenommen werden.
Wehsely verwies in Detailfragen auf den KAV, sagte aber zu, dass die Möglichkeit der Änderung der Dienstpläne auf das "alte bewährte System" bereits ab Oktober bestehe, und zwar "dort, wo es notwendig" sei. Ebenfalls gebe es von ihrer Seite keine allgemeine Vorgabe für die aufoktroyierten Maßnahmen, so wie es der KAV bis dato kommuniziert hatte. Wenn Maßnahmen "sinnlos" seien, dann könne man diese zurücknehmen. Auch werde es "viele Bereiche geben, wo man mit 40 Stunden in der Woche nicht auskommen wird", so Wehsely.
Streikbeschluss für26. September bleibt aufrecht
Ein erstes Gespräch zwischen der KAV-Generaldirektion, den ärztlichen Direktoren, Primarärzten und Personalvertretern gab es dann am Nachmittag. "Ich gehe davon aus, dass der KAV hier an einer konstruktiven Lösung interessiert ist und die Maßnahmen sistiert", sagte Szekeres. Gesundheitsstadträtin Wehsely ist jedenfalls zuversichtlich, was dies anbelangt. "Ich gehe davon aus, dass hier nach diesem Gespräch von allen Seiten die Lösung gesucht wird und nicht das Problem", unterstrich sie am Mittwoch. Es gehe nun darum, sich "ganz sachlich" anzuschauen, wo es Bedenken gebe, so die Ressortchefin. Wobei diese nicht nur angehört, sondern ganz konkret miteinander angeschaut werden sollten, um "dann entweder die Bedenken ausräumen zu können oder Veränderungen vorzunehmen".
Trotz des guten Willens von allen Seiten wird die Wiener Ärztekammer ihren am Dienstag gefällten Streikbeschluss ab 26. September vorerst aufrechterhalten. "Für den Fall, dass es hier zu keiner Lösung kommt", so der Kammerpräsident. Die Kammer hatte sich am Tag nach dem Warnstreik in einem fraktionsübergreifenden Aktions- und Streikkomitee für weitere Kampfmaßnahmen ausgesprochen. Man hoffe dennoch, dass der KAV "alles daransetzt, um eine Lösung im Sinne der Ärzte- und Patientenschaft zu erreichen". Ansonsten werde man weiter streiken müssen.
Scheint die Lösung nun nahe oder wird die Umsetzung des neuen Ärztearbeitszeitgesetzes (eine 40- bis 48-Stunden-Woche) zum Alptraum für Wiens Gesundheitswesen? Für Gesundheitsexperten Ernest Pichlbauer stehen die Sterne günstig. Wehsely habe nun einen guten Schritt gemacht. Sie sei von der Machtpolitik zur Sachpolitik zurückgekehrt. Das sei dringend notwendig gewesen. "Wenn die Ärztekammer jetzt das Gleiche macht und nicht versucht, Machtspiele zu spielen, sondern nach Lösungen sucht, dann haben wir es geschafft", so Pichlbauer zur "Wiener Zeitung".
Das Hauptproblem ortet Pichlbauer in dem vor einem Jahr festgesetzten zweiseitigen Vertrag. Darin wurden die Eckdaten festgehalten, aber eben nur die Eckdaten. "Der Vertrag ist so offen, dass beide Seiten einen großen Interpretationsspielraum haben. Man darf nicht vergessen, dass das, was die Ärztekammer fordert, irgendwie im Vertrag steht und das, was die Stadt macht, steht ja auch im Vertrag", so der Experte. Dass eine so wichtige Entscheidung wie die Umstellung auf das neue Ärztearbeitszeitgesetz auf lediglich zwei Seiten festgehalten wurde, ist laut Pichlbauer zwar normalerweise nicht üblich, auf hoher politische Ebene aber schon. "Und das ist ja das Problem der Stadt Wien, nämlich dass die Stadtregierung direkt die Krankenanstalten unter sich hat und dementsprechend eine sachorientierte Managementebene fehlt."
Von Anfang an sei eigentlich nicht klar gewesen, wer mit wem sprechen wird. Ansprechpartner für den KAV ist laut Pichlbauer im Grunde die Gewerkschaft gewesen und nicht die Ärztekammer. "Es ist paradox. Die Struktur wurde nicht gelöst, sondern nur ein Vertrag beschlossen. Und weil sich niemand über diese Prozesse Gedanken gemacht hat, konnten sie auch nicht miteinander sprechen." Der Prozess muss nun weitergehen, und zwar möglichst so, dass "beide Seiten damit leben können". Der Gesundheitsexperte empfiehlt dennoch den Einsatz von Mediatoren, die dann am Ende eine Schiedsstelle sein könnten. "Denn wenn weiter nicht über die Strukturen nachgedacht wird, sitzen wir in einem Jahr wieder da, wo wir jetzt sind."