Der deutsche Staatsminister Michael Roth ist für eine "Verknüpfung von Rechtsstaatlichkeit und dem Einsatz von Haushaltsmitteln".
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Wien. "Die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich sind auf vielfache Weise sehr eng." Dennoch sieht der Staatsminister im Außenamt in Berlin, Michael Roth, Potenzial zu Verbesserungen. Gesagt, getan, also reiste er nach Wien, um sein österreichisches Pendant Gernot Blümel zu sprechen, um sich über bilaterale und europäische Themen auszutauschen, wie das im Diplomatenjargon so schön heißt.
Roth ist immer wieder in Österreich - er geht privat in Tirol gerne in die Berge - und war auch beim Europäischen Forum Alpbach wiederholt eingeladen. Bei seinem Besuch in Wien traf der Sozialdemokrat Roth neben Blümel mit Vertretern des Europaausschusses im Parlament sowie mit SPÖ-Chef Christian Kern und Andreas Schieder (SPÖ) zusammen. "Dass man in der Politik gelegentlich unterschiedlicher Auffassung ist, steht außer Frage. Ich würde uns aber allen raten, entspannter miteinander umzugehen. Wir sollten miteinander und nicht übereinander reden. Es ist wichtig für uns, im Gespräch zu bleiben", sagt Roth.
Vor einer Gruppe österreichischer Journalisten legt Roth die deutschen Positionen zu den Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen der EU im Budgetzeitraum 2021 bis 2027 dar. Die Gespräche darüber werden auch ein zentraler Punkt auf der Agenda des österreichischen Ratsvorsitzes im zweiten Halbjahr sein. "Die Regierungen haben ihre Ratsvorsitz-Rolle bisher ja immer so gehalten, dass sie in der Funktion des Ratsvorsitzes nicht die eigene Position in den Vordergrund gerückt, sondern sich als Moderatoren verstanden haben", sagt Roth.
Berlin ist bereit, eine größere Finanzlast zu schultern
Das hätten bisher alle Regierungen so gemacht, und das werde auch Deutschland im zweiten Halbjahr 2020 - wenn das Land den Ratsvorsitz innehat - so handhaben. Man solle die unterschiedlichen Positionen rund ums EU-Budget nicht überbewerten, denn derzeit sei man in einem Prozess, in dem jeder seine Position darlege, meint Roth: "Jedes Mitgliedsland wird die eigene Position verdeutlichen; die EU-Kommission hat einen Vorschlag auf den Tisch gelegt. Wir wollen die Diskussion aus den traditionellen Schützengräben herausführen."
Deutschland hat ja bereits durchblicken lassen, dass Berlin bereit sei, eine größere finanzielle Last zu schultern - immerhin fehlen durch den Austritt Großbritanniens aus der EU an die zwölf Milliarden Euro. Bundeskanzler Sebastian Kurz hingegen lehnt höhere Zahlungen Österreichs ab. Er sagt, die EU solle den Brexit zum Anlass nehmen, mehr zu sparen. "Deutschland hat von der EU enorm profitiert, wir sind in der Mitte Europas verankert, stabile Verhältnisse sind in unserem Interesse, mehr als 60 Prozent unserer Exporte gehen in die EU. Wenn wir also sagen, wir wollen mehr Geld zahlen, dann treten wir für eine bessere, stärkere und solidarischere EU ein", so Roth.
"Wenn nun ein wichtiger Financier der EU - nämlich Großbritannien - wegfällt und wir gleichzeitig eine große Erwartungshaltung an die EU haben, dann ist ja klar, was das letztendlich bedeutet. Die EU soll mehr Verantwortung in der Außenpolitik übernehmen, mehr in der Entwicklungszusammenarbeit und in der Bekämpfung der Fluchtursachen unternehmen, eine größere Rolle beim Grenzschutz spielen, mehr für Klimaschutz, aber auch für Forschung und Innovation tun. Da dürfte es zwischen den Staaten keinen Dissens geben. Dieselben Aufgaben erfüllen, neue Aufgaben übernehmen und dafür dann weniger Geld ausgeben, kann aber nicht funktionieren. Da nähern wir uns irgendwann auch der Quadratur des Kreises", sagt Roth. Er habe nach seinem Gespräch mit Gernot Blümel den Eindruck gewonnen, dass Österreich bereit sei, einem tragfähigen Kompromiss nicht im Wege zu stehen.
Orbán: "Ohne Ungarns OKgibt es kein EU-Budget"
Roth äußerte sich auch zur Frage über die Verknüpfung von Strukturfördermitteln mit der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien durch die EU-Mitgliedsländer. Es gab zuletzt immer wieder Kritik daran, dass ausgerechnet aus jenen Ländern, die große Summen aus EU-Mitteln erhalten, immer wieder heftige Angriffe auf die Europäische Union kommen. Am Freitag sagte Ungarns Premier Viktor Orbán in "Radio Kossuth", die Debatte über den mehrjährigen Finanzrahmen werde "lang und langwierig sein, aber schließlich braucht es einstimmige Unterstützung", und "solange die Ungarn nicht ihr OK geben, wird es kein Budget geben".
Roth meinte am Donnerstag in seinem Pressegespräch: "Europa ist ja nicht in erster Linie ein Binnenmarkt oder ein Währungsraum, sondern eine Wertegemeinschaft. Deshalb gibt es die Möglichkeit eines Artikel 7-Verfahrens (zur Überprüfung der Einhaltung von Grundwerten). Eine stärkere Verknüpfung von Rechtsstaatlichkeit und dem Einsatz von Haushaltsmitteln findet sich im Kommissionsvorschlag und wird von uns unterstützt."
Die konkrete Umsetzung sei aber alles andere als einfach, denn es gebe keine Kennziffern wie etwa im ökonomischen Bereich. Im Presse-Gespräch verwies Roth ebenfalls auf seinen Vorschlag, einen Fonds zur Stärkung der Zivilgesellschaft einzurichten.
EU-Linie gegenüber Russland und der Türkei
Was die Linie gegenüber Russland betrifft, betonte Roth die Bedeutung klarer Worte: "Wir haben keine bipolare Weltordnung, wir haben eine Welt in Unordnung. Sagen was ist, klare Worte zu finden, ist wichtiger denn je. Wir sind offen für eine Wiederbelebung von Dialogformaten - wir brauchen Russland für die Lösung einer ganzen Reihe von Problemen."
Roth tauschte sich mit Blümel auch über die Linie der Europäischen Union gegenüber der Türkei aus. Dazu sagt Roth: "Ich bin mit Gernot Blümel in der Analyse einig, dass die Türkei sehr weit von einem EU-Beitritt entfernt ist. Trotzdem ist ein Abbruch der Beitrittsgespräche kontraproduktiv, denn damit stoßen wir jene Menschen in der Türkei vor den Kopf, die ihren Blick nach Europa richten."