Populisten warnen nach Londoner Attentat vor Immigration. Der Täter war waschechter Brite.
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London. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgen diese Woche die Londoner, was man ihnen von "draußen" an Solidarität entgegenbringt. Dass sich der französische Außenminister auf der Besuchergalerie im Unterhaus zur Sondersitzung einfand, quittierte der Speaker mit dankbaren Worten. Dass das Brandenburger Tor in den Farben des Union Jack erstrahlte, wurde ebenso positiv vermerkt. Barack Obamas spontane Worte der Verbundenheit ließen alte Gefühle enger Allianz wiederaufleben. Dagegen löste Donald Trumps ältester Sohn, Donald Trump Junior, zornige Reaktionen an der Themse aus.
Trump Jr. nämlich hatte den moslemischen Bürgermeister Londons, Sadiq Khan, in einem Tweet angegriffen. Der Trump-Sohn war auf eine Bemerkung Khans vom vorigen Jahr gestoßen, der zufolge Weltstädte nun offenbar mit dem Terror zu leben und sich auf ihn einzustellen hätten. "Das soll wohl ein Witz sein?!", twitterte Jung-Donald, der so tat, als habe Khan das nach dem Attentat gesagt. Dabei hatte Khan vor sechs Monaten nur wiederholt, was die britischen Geheimdienste mehrfach erklärt hatten. Vielen Londonern schien Trumps Tweet jedenfalls ein übler Angriff auf ihren Mayor. "Nun ja", kommentierte Londons liberaler "Guardian", "die Gelegenheit, über einen moslemischen Bürgermeister herzuziehen, lässt man wohl nicht gern aus."
Trumps Vater fand derweil seinen englischen Gefolgsmann Nigel Farage, den früheren Ukip-Vorsitzenden, erneut lautstark an seiner Seite. In zwei US-Fernsehsendungen erklärte Farage, das Londoner Attentat zeige, wie recht der US-Präsident habe mit seinem "Travel Ban". Politiker, die bisher schon "freie Zuwanderung befürworteten", seien verantwortlich für Bluttaten wie die in Westminster.
Polizei ruft zur Versöhnung auf
Ähnlich äußerte sich in London die Ukip-nahe Pro-Brexit-Organisation "Leave.EU", die während der Brexit-Kampagne eine wichtige Rolle spielte. Britische Regierungen, klagte "Leave.EU", hätten mit ihrer unbekümmerten Einwanderungspolitik versäumt, "das britische Volk" vor Terroraktionen zu schützen.
Ein Echo kam prompt aus Frankreich, wo Marine Le Pen betonte, das Attentat von Westminster zeige, wie nötig gute Grenzkontrollen seien. Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo sah sich durch die Bluttat von London bestätigt in ihrer Abweisung von Flüchtlingen und ihrem Nein zu einer EU-Aufnahmequote. Es sei "unmöglich", Migration nicht mit Terrorismus in Verbindung zu bringen, sagte sie.
Etwas verblüfft war man in London von solchen Reaktionen. Immerhin war der Täter kein "Zugereister", der sich durch irgendwelche Grenzen gemogelt hatte. Geboren als Adrian Russell A., änderte der Brite, der in England aufgewachsen und dort wohnhaft war, später seinen Namen. Nur seine Opfer kamen, wie Bürgermeister Khan trocken feststellte, "aus allen Ecken und Enden der Welt". Das interessierte die Rechtspopulisten aber wenig.
Imame überall im Lande gaben bei den Freitagsgebeten ihrem Schock über das Geschehen Ausdruck. Man müsse "in Solidarität zusammenkommen", verkündete der Moslemrat Großbritanniens. Man dürfe "den Terroristen nicht erlauben, uns zu spalten".
Dankbar waren britische Moslems der Polizei, die in dieser Frage rasch Stellung nahm. "Wir stehen allen Gemeinden zur Seite", sagte Scotland Yard in London. "Wir werden nicht zulassen, dass Terroristen Zwietracht, Misstrauen und Angst auslösen." Auch Premierministerin May vermied kollektive Schuldzuweisungen oder Drohungen mit mehr Überwachung, wie es manche ihrer Hinterbänkler forderten. Ihre nüchterne Reaktion auf das Attentat stieß auf Beifall und Zustimmung auch bei der Opposition.