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Zuschanden vermietete Schönheit

Von Alexander Putzendopler

Gastkommentare

In jüngster Vergangenheit fanden sich gehäuft hässliche Bilder vom Abriss wunderschöner Gründerzeithäuser in Wien - die Gesetzeslage hat daran ihren Anteil.


Bereits in mehreren Publikationen durfte der Autor dieser Zeilen dartun, weshalb die österreichische Gesetzgebung zum Mietrecht nichts anderes als eine Enteignung der Grundeigentümer darstellt. Aber was hat das Mietrecht mit einer Verschandelung der Städte und deren historischer Kerne zu tun?

Offenkundig hat nun auch die Wiener Stadtregierung erkannt, dass der systematische Abbruch der Gründerzeithäuser dem gemeinen Wähler trotz nachhaltiger Versuche, die Schönheit des Plattenbaus zu propagieren, nicht wirklich behagt. Nach nunmehr Jahrzehnten der völligen Ignoranz gegenüber historischer Bausubstanz durch das Rathaus und seine Epigonen wurde mittels Landesgesetzblatt Nummer 37/2018 die Wiener Bauordnung geändert. Gebäude, die vor dem 1. Jänner 1945 errichtet wurden, sind seit 1. Juli 2018 besser vor dem Abbruch geschützt. Verständlicherweise haben viele Eigentümer von Gründerzeithäusern das verbleibende Zeitfenster genutzt, um unliebsame eigene Objekte abzubrechen.

Ein Verlustgeschäftfür den Vermieter

Doch warum sollte man als Eigentümer eines repräsentativen und das Ortsbild Wiens verkörpernden Bauwerks dessen Abbruch wünschen? Ganz einfach: Das Eigentum an solchen Objekten ist schlicht unrentabel bis unleistbar. Zwingt der Gesetzgeber den Eigentümer einer solchen Liegenschaft in ein Korsett aus Vorschriften und konfiskatorischen Beschränkungen, die es ihm verunmöglichen, aus seinem Eigentum die gerechten Früchte zu ziehen, wird es sich dieser - so bei klarem Verstande - mehrfach überlegen, dieses Verlustgeschäft weiter zu betreiben. Darf ein Vermieter lediglich solch geringe Mietzinse verlangen, dass sich mit etwas Pech nicht einmal die Erhaltung des Hauses finanzieren lässt, so tut er gut daran, für Ersatz zu sorgen.

Bricht er also sein Gründerzeithaus ab, um es durch ein hässliches, aber günstiges Betonklötzchen zu ersetzen, darf er - der seltsamen gesetzgeberischen Logik sei Dank - wie durch Zauberei angemessene Mietzinse verlangen. Mag dem vormaligen stolzen Eigentümer des Jahrhundertwendebaus auch viel an dessen Erhaltung gelegen gewesen sein, so kann man nicht von ihm verlangen, sich durch den Erhalt selbst in den Ruin zu treiben.

Wie ist nun die Änderung der Bauordnung in Wien zu bewerten? Als Liebhaber der Bausubstanz und des Stadtbildes Wiens könnte man nun vorschnell jubilieren, doch möge man die weiteren Folgen bedenken. Diese Gesetzesänderung ist nichts anderes als eine Symptombekämpfung der selbst verursachten Krankheit. Am schwelenden Eiterherd des geschilderten Problems ändert sich dadurch natürlich gar nichts. Im Gegenteil, durch solche Maßnahmen (so wünschenswert kurzfristige Effekte auch sein mögen) wird dem Verfall der Stadt nur weiter der rote Teppich ausgerollt. Darf ein Eigentümer sein Haus nicht rentabel verwerten und zwecks Verlustminimierung abbrechen, so wird er es wohl bewusst verfallen lassen (müssen).

Radikale Änderungdes Mietrechtsregimes

Diesem Problem entgegenzuwirken, gelänge nur durch eine radikale Änderung des Mietrechtsregimes. Erst, wenn der Eigentümer auch ein ökonomisches Interesse an der Erhaltung der Bausubstanz haben kann und darf, wird er diese nach Kräften fördern. Hat er dies nicht, wird er im Gegenteil - wie es der austriakischen Neidgenossenschaft entspricht - für sein Eigentum angefeindet und ihm dieses entrissen, so wird er kein Jota zur Erhaltung des Stadtbildes beitragen.

Dass Letzteres der Stadtregierung auch weiterhin kein Anliegen zu sein scheint und hier wohl nur Wahlkampf betrieben werden soll, erkennt man auch am unsäglichen Projekt des Heumarktes. Hier werden die Schönheit der Stadt und auch der Tourismusmagnet Weltkulturerbe kurzfristigen Parteiinteressen geopfert. Ob so mancher sich klammheimlich über den Abbruch der Altsubstanz dieser schönen Stadt freut, darüber kann nur spekuliert werden. Da aber generell viel darangesetzt zu werden scheint, die Zeit des Hauses Österreich herabzusetzen und die Erinnerung daran wenn schon nicht zu tilgen (siehe das "Haus der Geschichte"), so doch zu mindern, mag diese Vermutung wohl nicht ganz aus der Luft gegriffen sein.

Es ist nunmehr zu hoffen - und zwar im Interesse der Eigentümer, des Stadtbildes und nicht zuletzt der Mieter -, dass durch die Bundesregierung eine umfassende Reform dieser Enteignungsgesetzgebung bewirkt wird. Erste dahingehende Signale waren erfreulicherweise bereits vernehmbar. Enteignung und Abbruch der Jahrhundertschönheit Wiens aus ideologischen Gründen müssen so rasch wie möglich beendet werden. Der Karl-Marx-Hof wird denn wohl auch weiterhin keine Touristenmassen anziehen, die sich doch eher in den Jahrhundertwende-Vierteln einfinden.