Die Sozialpartner haben viele positive Aspekte. Nur demokratiepolitische Vorbilder sind sie keine.
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Das Hohe Lied der Sozialpartnerschaft gehört im offiziellen Österreich zum guten Ton. Quasi als außerparlamentarischer Garant des sozialen Friedens und so. Und demokratisch legitimiert sind Arbeiter- und Wirtschaftskammer auch noch, irgendwie zumindest.
Müsste man nach fünf der insgesamt neun Wahlgänge der derzeit laufenden AK-Wahlen Resumée ziehen, bliebe eigentlich nur ein möglicher Schluss: SPÖ und ÖVP sind top, alle anderen ein Flop, kurz eine Sensation gemessen an sämtlichen Umfragen, die den beiden Regierungsparteien die Hölle auf Erden verkünden. Umfragetechnisch natürlich.
In der heilen Welt der bipolaren Sozialpartnerschaft ist davon nichts zu spüren, behaupten zumindest die Wahlergebnisse oberflächlich betrachtet. In Wien (siehe Artikel Seite 12) legen die roten Arbeitnehmervertreter auf 59 Prozent (plus 2,5) zu, in Salzburg auf fast 70, in Kärnten sogar auf 77 Prozent; auch die Schwarzen können sich freuen, zumindest in jenen Ländern, in denen sie die AK beherrschen, also in Tirol, wo ÖAAB/FCG auf 64 Prozent (plus 1) oder in Vorarlberg, wo sie auf 52 Prozent (-1) kommen. Das ist wohl der Stoff, aus dem die politischen Tagträume von Werner Faymann und Michael Spindelegger bestehen: zufriedene Wähler, die ihr Spitzenpersonal mit Zustimmungsquoten verwöhnen, die aus der Zeit gefallen scheinen.
Womöglich hat das Phänomen der monochromen Machtverteilung aber auch mit den besonderen Spielregeln der Sozialpartner-Demokratie zu tun, welche die Machtposition der jeweils stärksten Fraktion gleichsam einzementiert. Wenn etwa die jeweiligen Präsidenten, die natürlich zugleich auch Spitzenkandidaten ihrer Fraktionen sind, praktisch von jeder offiziellen Wahlinfo lachen. In diesem Fall dienen freie Wahlen hauptsächlich dazu, dass möglichst alles so bleibt, wie es ist.
Dass solche Wahlen für die Wähler nur mäßig attraktiv sind, belegen die zunehmend sinkenden Beteiligungsquoten. Und wenn diese sinken, entscheidet eben die Mobilisierungskraft der Parteien.
Dazu nur ein kleines Gedankenspiel: In Wien nahmen - laut vorläufigem Wahlergebnis - noch 37,5 Prozent der rund 680.000 Wahlberechtigten an der AK-Wahl teil; in absoluten Zahlen entspricht das knapp 255.000 Wählern. Davon entfielen gut 59 Prozent oder 150.000 Stimmen auf die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG). Die Stadt Wien wiederum verfügt über circa 75.000 Mitarbeiter, was wiederum exakt der Hälfte des FSG-Stimmenanteils bei der AK-Wahl entspricht. Dann müsste, theoretisch zumindest, eigentlich nur noch jeder Stadt-Mitarbeiter seinen Lebenspartner, einen Bekannten oder Freund motivieren, zur Wahl zu gehen und FSG zu wählen . . .
Selbstredend ist das eine politische Milchmädchenrechnung, aber ganz so abstrus, wie es sich auf den ersten Blick darstellt, ist sie in der heimischen politischen Realität dann doch auch wieder nicht. Immerhin ist es den schwarzen Arbeitnehmern kürzlich bei den niederösterreichischen Landespersonalvertretungswahlen gelungen, 100 Prozent der Stimmen zu ergattern.
Auch das ist natürlich ein Vergleich von Äpfeln und Birnen. Aber auf eine gewisse Art beklemmend interessant ist es dennoch.