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Zuwanderer dringend gesucht

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft
Die heimische Wirtschaft braucht Nachwuchskräfte aus dem Ausland. Foto: bilderbox

Österreich bei Zuwanderung aus Drittstaaten noch Schlusslicht. | Migranten müssen sich vier Mal so oft bewerben. | Bad Ischl. Angesichts der Krise ist das schwer vorstellbar, aber die nackten Zahlen zeigen: In fünf bis zehn Jahren werden Österreich und Deutschland einen großen Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften haben. "Ohne Migration werden 2020 in Österreich um 55 Prozent mehr Personen den Arbeitsmarkt verlassen, als neu nachkommen", sagt Thomas Liebig, Arbeitsmarktexperte der Industriestaatenorganisation OECD, am Rande der Sozialpartner-Tagung in Bad Ischl zur "Wiener Zeitung". "Das heißt, dass gar nicht alle Pensionisten ersetzt werden könnten."


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Im Mai 2011 öffnet Österreich seinen Arbeitsmarkt für viele osteuropäische EU-Länder. Das wird den zusätzlichen Bedarf an Arbeitskräften zunächst abdecken. Steuern lässt sich diese EU-interne Zuwanderung kaum, so Liebig. Langfristig werde freilich die Bereitschaft der Osteuropäer sinken, den Bedarf an niedrig qualifizierten Tätigkeiten in Österreich - etwa in der Pflege - abzudecken. Somit wird es dann umso wichtiger, Zuwanderer von außerhalb der EU zu gewinnen - und das nicht nur im Bereich der Topqualifizierten. Im Moment ist Österreich für diesen Wettbewerb schlecht gerüstet: Bei der Arbeitsmigration aus Drittstaaten ist das Land sogar OECD-weites Schlusslicht. Genau für diese Gruppe haben die Sozialpartner am Montag (die "Wiener Zeitung" berichtete) Vorschläge für eine "Rot-Weiß-Rot-Karte" gemacht.

Abbau von Vorurteilen

Liebig sieht durch die Karte mehrere Vorteile: Für die Migranten bringt das System größere Transparenz. Die Arbeitsmarktpolitik wiederum erhalte mehr Flexibilität: "Man hat dadurch das Mittel in der Schublade, um rasch zu reagieren, wenn der Bedarf steigt." In Ländern wie Australien und Kanada, die als Vorbilder für die "Rot-Weiß-Rot-Karte" gelten, habe sich zudem gezeigt, dass durch mehr qualifizierte Zuwanderung Vorurteile abgebaut werden.

Momentan sei jedoch noch die "statistische Diskriminierung" ein Problem: "Gewisse Migrantengruppen werden automatisch als niedrig qualifiziert eingeordnet." Studien in Frankreich und Schweden hätten gezeigt, dass Personen, deren Name auf Zuwanderung hinweise, bis zu vier Mal so viele Bewerbungen schreiben müssen, so Liebig.

Wie attraktiv ist Österreich aus Sicht der Zuwanderer? "Die Hochqualifizierten können sich in Wahrheit aussuchen, wohin sie gehen. Wenn ich mich hier in Bad Ischl umsehe, so hat Österreich schon viel Attraktives zu bieten." Die Lebensqualität für die Familien, womöglich sogar fremdsprachige Kindergärten, spiele für hochqualifizierte Arbeitskräfte eine größere Rolle als etwa die vergleichsweise hohe Steuer auf das Einkommen. Die Steuerbelastung stelle nur Großverdiener vor die Qual der Wahl, ob sie abwandern sollen. Für Wissenschafter sei wiederum die Qualität von Forschungseinrichtungen viel wichtiger.

Ob die Ostöffnung Druck auf das Lohnniveau bringt, sei "sehr schwer abzuschätzen." Es sei jedenfalls gut, dass Österreich mögliche Dumping-Versuche durch begleitende Gesetze verhindern wolle.