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Zuwanderung nach Maß

Von Norbert Klaschka

Politik

Berlin - Die Zahlen klingen dramatisch. Nach Prognosen der Vereinten Nationen wird es in den nächsten 50 Jahren 20 bis 25 Millionen Deutsche weniger geben - wenn es bei der niedrigen Geburtenrate bleibt. Das hätte weit reichende Folgen. Die Zahl der Erwerbstätigen würde sich auf 24 Millionen fast halbieren. Die sozialen Sicherungssysteme gerieten ins Wanken. Jeder Beschäftigte müsste einen Rentner finanzieren.


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Das Problem wurde lange verdrängt. Inzwischen scheint sich aber die Erkenntnis immer mehr durchzusetzen, dass Deutschland schon aus eigenem Interesse Einwanderung braucht. Mehrere Kommissionen beschäftigten sich inzwischen mit dem Problem. Eine von der rot-grünen Regierung eingesetzte Kommission unter Vorsitz der früheren Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) arbeitet seit vergangenem Jahr und will Anfang Juli ihre Vorschläge präsentieren. Die Unionsparteien, die inzwischen mit Einschränkungen ein Einwanderungsland Deutschland akzeptieren, haben eigene Kommissionen eingesetzt. Als erste hat die CSU vor wenigen Tagen ihre Thesen vorgetragen.

Kein Allheilmittel

Mittlerweile drängt die Zeit, soll es noch in dieser Legislaturperiode zu einer von vielen erwünschten parteiübergreifenden Lösung der Zuwanderungsfrage kommen. Dabei ist auch klar, dass Zuwanderung allein die demographischen und sozialen Probleme Deutschlands nicht lösen kann. Wollte man das ernsthaft versuchen, müsste jährlich über eine Million Menschen zusätzlich nach Deutschland kommen - was mehr Probleme schaffen, als lösen würde. Angesichts vier Millionen Arbeitsloser, haben vor allem die Gewerkschaften das Problem, die Befürchtungen ihrer Mitglieder zu zerstreuen, Zuwanderung würde ihre Arbeitsplätze gefährden.

Obwohl die Entscheidungen noch ausstehen und die wichtige Regierungskommission sich nicht zu vorschnellen Resultaten drängen lassen will, zeichnen sich in der allumfassenden Diskussion Grundlinien einer Neuordnung der Zuwanderung ab. Unstrittig scheint, dass sich Zuwanderung am Arbeitsmarkt und den wirtschaftlichen Erfordernissen ausrichten soll. Das heißt, dass man nur ganz bestimmte, für Mangelberufe qualifizierte Ausländer nach Deutschland holen will. Übereinstimmung herrscht auch, zunächst die Potenziale des heimischen Arbeitsmarktes auszuschöpfen.

Bonuspunkte

Bei der Frage, über welche Mechanismen die Zuwanderung gesteuert werden soll, neigen viele Experten einem Quoten- und Punktesystem zu und blicken dabei auf die Regelungen in den Einwanderungsländern Kanada und Neuseeland. Dabei könnten mit unterschiedlicher Gewichtung Punkte für die Faktoren Alter, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Bildungsabschlüsse vergeben werden. Bewerber aus EU-Beitrittsländern könnten Bonuspunkte erhalten.

Nachdem auch die CSU - jedenfalls vorerst - die Verfassung nicht mehr ändern will, ist die Diskussion um das Grundrecht auf Asyl nachrangig geworden. Die Asylbewerberzahlen sind seit dem Asylkompromiss von 1993 ohnehin drastisch gesunken. Und selbst eine Umwandlung des Asylrechts brächte keine Änderung, da Deutschland die Verpflichtung der Genfer Flüchtlingskonvention akzeptiert hat. Große Zustimmung gibt es aber darüber, die oft lang dauernden Asylverfahren mit ihren Folgeanträgen zu verändern und zu straffen.