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Dem von der rot-grünen Regierung in Deutschland seit Jahren angestrebten Zuwanderungsgesetz werden kaum mehr Chancen auf Realisierung eingeräumt. Am Montag hatten die Grünen die Verhandlungen mit den Unionsparteien wegen deren "überzogenen Forderungen" beim Thema innere Sicherheit de facto für gescheitert erklärt und damit auch beim Koalitionspartner für Unmut gesorgt. Zwar wurde CDU/CSU nun doch bis Freitag eine Frist zur "Nachbesserung" eingeräumt, dass sich beide Parteien bis dahin auf ein konsensfähiges Maß annähern, darf allerdings bezweifelt werden.
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Die Grünen wollen jedenfalls im Falle des Scheiterns bereits am Samstag auf dem Sonderparteitag den von Parteirat und -vorstand empfohlenen Ausstieg aus den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss offiziell beschließen.
Stein des Anstoßes sind die rigorosen Sicherheitsbestimmungen, die die Union als Zuwanderungshürde in das im Bundesrat zustimmungspflichtige Gesetz einfließen lassen will; etwa eine vereinfachte Abschiebung von (moslemischen) Hasspredigern oder Schleusern. Nach Meinung der Grünen wird damit das Ausländerrecht zu sehr auf Sicherheitsaspekte reduziert, Integration und die auch von der Wirtschaft befürwortete Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, einstiges Hauptmotiv für das Gesetz, träten zu sehr in den Hintergrund. Nachdem am Wochenende ein 17-stündiges All-Parteien-Gespräch neuerlich an der Beharrlichkeit der CDU gescheitert war, platzte Grünen-Chef Grünen-Chef Reinhard Bütikofer schließlich der Kragen. "Das Spiel ist aus" ließ er ohne vorhergehende Konsultation mit der SPD verkünden. In der Überzeugung, dass man der Opposition ohnehin bereits in fast allen strittigen Punkten entgegengekommen ist, sieht sie den Ball nun bei der Union.
Die SPD, die sich mit den Vorstellungen der Rechten in Sachen Einwanderungsgesetz weit mehr identifizieren kann, fühlt sich vom Koalitionspartner brüskiert. Von einer Regierungskrise wegen mangelnder Flexibilität sprach, sichtlich erzürnt, Innenminister Otto Schily (SPD); davon, dass die Grünen sich nicht überheben sollten, indem sie fälschlicherweise annähmen, sie könnten als Juniorpartner den Koalitionskurs bestimmen, SPD-Innenexperte Dieter Würfelspütz.
Dennoch wollen auch die Genossen den Streit mit den Grünen nicht eskalieren lassen. Ein Alleingang bei Verhandlungen mit der Union wurde dezitiert ausgeschlossen; schon deshalb, weil dieser Neuwahlen bedeuten würde - und daran hat die SPD zur Zeit absolut kein Interesse. Und so beschwörten die Sozialdemokraten gestern die durchaus noch "intakten" Chancen auf eine Einigung. Verhandelt werde aber "über ein Zuwanderungsgesetz, nicht über ein Sicherheitsgesetz" werden, ließ Würfelspütz mit Blick auf die nächste Gesprächsrunde am Freitag der Union ausrichten. CDU und CSU signalisieren trotz des Ultimatums bisher wenig Manövrierbereitschaft - weshalb bereits auch einige SPD-Politiker die Frage für legitim halten, "ob die Fortsetzung der Gespräche tatsächlich noch Sinn macht".