Zum Hauptinhalt springen

Zwangsernährung lässt Fragen offen

Von Brigitte Pechar

Politik

Am Donnerstag wird der Nationalrat voraussichtlich mit den Stimmen der Koalition und der SPÖ das neue Asylgesetz beschließen. Dieses umfasst eine Ausweitung der Schubhaft von sechs auf zehn Monate. Zuletzt entspann sich eine Diskussion um die Zwangsernährung für in Schubhaft befindliche Asylwerber. Die Koalition hält sie für zulässig, die SPÖ nicht. Verfassungsrechtler Bernd Christian Funk spricht gegenüber der "Wiener Zeitung" von einem "knieweichen Formulierungskompromiss". Die Regelung sei mit Absicht unklar gehalten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer hat am Montag klargestellt, dass seine Fraktion trotz aller in den letzten Tagen geäußerten Bedenken einhellig den neuen Asylregelungen zustimmen wird. Bei der umstrittenen Zwangsernährung glaubt er, dass es diese rechtlich nicht geben kann. Allerdings fügte er an, dass es gegen die Prinzipien der Humanität und des österreichischen Rechtsverständnisses wäre, wenn man Menschen, die knapp vor dem Sterben stünden, Hilfe versage.

In der Regierung glaubt man sehr wohl, dass Zwangsernährung möglich sein wird. In den Bestimmungen zur Schubhaft werden die Zuständigkeiten bei Hungerstreik festgelegt (siehe unten).

Bisher wurden hungerstreikende Schubhäftlinge aus Polizeianhaltezentren nach einigen Tagen entlassen. Im Vorjahr haben sich auf diese Weise 1.072 Personen frei gepresst, etwa zehn Prozent der Schubhäftlinge. Jetzt habe man die Möglichkeit, hungerstreikende Schubhäftlinge, für die die Abschiebung bereits beschlossen ist, in eine Strafanstalt einzuweisen, wo das Personal mehr Erfahrungen im Umgang mit Hungerstreikenden habe, erklärte Sektionschef Roland Miklau vom Justizministerium.

Zwangsernährung sei eine ultimo ratio. Alleine die Drohung könne dazu führen, dass die Zahl derer, die sich frei pressen wollen, wesentlich geringer sein wird, glaubt Miklau. Als Untermauerung dessen verweist Miklau auf den Strafvollzug, wo Zwangsernährung in den vergangenen 30 Jahren so gut wie nie praktiziert worden sei. In ganz seltenen Fällen, seien Häftlinge in ein Krankenhaus gebracht worden: "In den Justizanstalten findet keine Zwangsernährung statt."

Dass sich die SPÖ schon einmal mit einer solchen Regelung anfreunden hätte können, bestätigt der frühere Legist des Innenministeriums, Wolf Szymanski. "Es gibt bereits seit Mitte der 1990er Jahre die Überlegung, hungerstreikende Schubhäftlinge in die Justizanstalten zu überstellen, um sie dadurch von ihrem Streik abzubringen." Bisher sei dies stets am Widerstand des Justizressorts gescheitert, erklärte Szymanski.

Für den Verfassungsrechtler Funk läuft die Debatte schief. Man habe die Gesetzesformulierung mit Absicht unklar gehalten, weil man sich in der Sache nicht einig gewesen sei. Im Ernstfall, so Funk, werde es keine Zwangsernährung geben. Es werde sich kein Arzt finden, der gegen den Willen einer Person eine Zwangsernährung vornimmt. Das ginge erst dann, wenn der Betreffende nicht mehr dispositionsfähig ist.

Funk geht davon aus, dass die Zwangsernährung verfassungsrechtlich nicht zulässig ist. "Das ist ein knieweicher Kompromiss, der so tut, als würde das Problem gelöst." Ob das Asylgesetz beim Verfassungsgerichtshof landen wird, ist für Funk dennoch nicht sicher, weil ja auch die SPÖ zustimmt und die Grünen keine Möglichkeit haben, das Gesetz vor den VfGH zu bringen.