Verein "Orient Express" hilft Migrantinnen vor allem aus der Türkei. | Familienministerin für Errichtung einer Interventionsstelle für Zwangverheiratete. | Wien. "Zwangsheirat ist schwere Nötigung und somit strafbar", erklärte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) anlässlich ihres Besuches beim Verein "Orient Express" am Mittwoch. Die Servicestelle in der Schönngasse, Wien-Leopoldstadt, bietet Migrantinnen vor allem aus der Türkei und arabischsprachigen Ländern kostenlos und anonym Unterstützung an - wobei etwa Gewalt, Missbrauch oder Frauenbeschneidung, vor allem aber die Zwangsverheiratung im Mittelpunkt stehen.
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Deren Opfer sollen künftig in einer neuen, österreichweit zehnten Interventionsstelle Zuflucht finden - zumindest, wenn es nach Heinisch-Hosek geht.
Um die Idee zu realisieren, bedarf es nämlich der zusätzlichen finanziellen Unterstützung vom Innenministerium. Das Frauenministerium kann laut Heinisch-Hosek lediglich die Hälfte - 40.000 Euro für die Errichtung und weitere 155.000 Euro jährlich für den Betrieb - beisteuern. Verhandlungen mit Innenministerin Maria Fekter und Familienstaatssekretärin Christine Marek (beide ÖVP) seien bereits im Gange. "Die Forderung ist auch im Regierungsprogramm verankert", betonte die Frauenministerin und schlug vor, die Interventionsstelle beim "Orient Express" anzusiedeln. Als Alternative könne die Beratung auch bundesweit bei bereits bestehenden Einrichtungen erfolgen.
Gekoppelt an die Interventionsstelle sollen laut Heinisch-Hosek Notwohnungen entstehen, in denen Betroffene Zuflucht finden - denn hier klafft laut Beraterin Meltem Weiland eine Lücke. "Migrantinnen kommen zu uns und suchen Unterstützung, wie sie ihr Leben weiterführen können", sagte sie, "aber wir können nur beraten, sie Deutsch lehren und ihre Kinder betreuen - unterbringen können wir sie nicht."
In Heimat verschleppt
Ein Manko, das die vom Verein geleistete Hilfe mitunter zunichte macht. "Viele Mädchen werden von ihrem Ehemann aufgestöbert und mit Gewalt in ihr Heimatland gebracht", sagte Weiland und berichtete von ihrem jüngsten Fall. "Acht Monate lang habe ich ein in die Türkei verschlepptes Mädchen gesucht, mit Hilfe des Außenministeriums konnte ich es zurückholen."
Hier wurde der 16-Jährigen bei der Einreichung der Scheidung geholfen. "Vor allem das Selbstbewusstsein der Mädchen muss gestärkt werden, weil ein großer Druck von den Eltern und der gesamten Familie auf ihnen lastet", weiß Weiland. Bei Minderjährigen werde eng mit der Jugendwohlfahrt kooperiert.
Von der Zwangsheirat seien hauptsächlich 16- bis 24-Jährige betroffen, im Vorjahr konnten fünf verschleppte Mädchen nach Österreich zurückgeholt werden.
Der "Orient Express" wurde 1988 gegründet. Damals wurden Deutsch- und Nähkurse angeboten. Seit 1997 ist er Mitglied im Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen. Derzeit zählt der Verein 13 Mitarbeiterinnen, die alle selbst Migrantinnen sind. Finanziert wird er aus einer Summe an Fördergeldern unter anderem von Bund und Ländern, Unterrichts- und Frauenministerium, der Stadt Wien sowie einem EU-Projekt.