)
Vor drei Jahren machten verschiedene Menschenrechtsorganisationen - unter ihnen amnesty international - darauf aufmerksam, dass Roma-Frauen in der Slowakei gegen ihren Willen sterilisiert werden. Ein Gerichtsverfahren ist im Dezember letzten Jahres allerdings eingestellt worden. Es gebe Kläger aber niemanden, der angeklagt werden könnte, hieß es in der Begründung. Vor wenigen Tagen sind fünf slowakische Roma-Frauen in dieser Sache erneut vor Gericht gegangen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Rassismus, Diskriminierung und ein Dasein unter dem Existenzminimum - das ist der Alltag von Roma-Angehörigen in der Slowakei. Die große Zahl an Ungerechtigkeiten, die der Minderheit tagtäglich zustößt, treibt sie immer weiter in die Isolation. Oft sind Roma aus Scham nicht fähig, erlittene Misshandlungen zu artikulieren. Häufig wäre auch entsprechende Lese-, Schreib- und Sprachkompetenz nötig, um sich zu wehren. Von diesen Defiziten sind besonders Frauen betroffen, was vielleicht ein wenig erklärt, warum es in der Vergangenheit relativ unbemerkt zu zahlreichen Fällen ungewollter Sterilisation kommen konnte.
Menschenrechtsorganisationen - unter ihnen amnesty international - haben 2002 aufgedeckt, dass mehr als 140 Roma-Frauen in den Krankenhäusern der ostslowakischen Orte Krompachy und Gelnica gegen ihren Willen unfruchtbar gemacht worden sind. Ein Großteil dieser Eingriffe wurde nach Kaiserschnitten durchgeführt, nachdem die Frauen ein Baby entbunden hatten. Nur wenige der 140 Betroffenen wussten nach eigener Aussage Bescheid, welcher Operation sie sich unterziehen würden. Diejenigen, die im Bilde waren, wurden demnach falsch informiert. Ärzte und Krankenschwestern erzählten den 18-jährigen, 21-jährigen oder 25-jährigen Müttern - so lauten die Vorwürfe -, dass sie sterben würden, wenn sie noch ein Kind bekämen. Eine Sterilisierung wäre deshalb der einzige Ausweg. Der überwiegende Teil der betroffenen Frauen hat nach eigener Aussage nichts von der Art des Eingriffes gewusst und erst im Nachhinein von der Sterilisierung erfahren. Ein Arzt oder eine Krankenschwester habe den Patientinnen mitgeteilt, dass sie keine Kinder mehr bekommen könnten und deshalb gefälligst dankbar sein sollten, heißt es in dem Bericht der Menschenrechtsorganisation "Körper und Seele" in New York. "Ihrer Ansicht nach haben sie den Frauen einen Gefallen getan, da ein großer Kindersegen in ihren Augen die Armut verschlimmert", erklärt die Prager Journalistin und Menschenrechtsexpertin Kandida Hornakova gegenüber der "Wiener Zeitung".
Die bekannt gewordenen Fälle von Zwangssterilisierungen erregten vor drei Jahren in der Slowakei Aufmerksamkeit. Verändert hat sich seither nicht viel, für manche Kritiker hat sich die Situation sogar noch zugespitzt. Viele Roma-Frauen, die sich einem Kaiserschnitt unterzogen und seitdem keine Kinder mehr bekommen haben, sind im Ungewissen, ob sie nicht sterilisiert wurden. Die Vorstellung ist für viele quälend, dennoch wagen es die meisten nicht, der Sache energisch nachzugehen. Die slowakischen Krankenhäuser sind unter Roma-Angehörigen jedenfalls gefürchteter denn je. Um die Patientinnen einzuschüchtern würde vorgegaukelt, dass gerichtliche Klagen wegen Sterilisierung dreijährige Gefängnisstrafen zur Folge hätten, heißt es auf der Website der tschechischen Menschenrechtsorganisation dzeno. Bei den meisten Betroffenen wirke diese Darstellung.
Fünf Frauen klagen
Nur wenige lassen sich nicht einschüchtern. Letzte Woche haben fünf Frauen bei einem Gericht im slowakischen Spisská Nová Ves eine Klage eingereicht, berichtet die News-Redaktion des Europäischen Büros für Sprachminderheiten in Brüssel. Um sich zu schützen, geben sie ihre Identität gegenüber den Medien nicht preis.
Kürzlich hat die slowakische Regierung in Brüssel ihren Bericht zum Schutz nationaler Minderheiten eingereicht. Dort ist von Kurzzeit- und Langzeit-Maßnahmen die Rede, die Rassismus und Xenophobie in der Slowakei bekämpfen sollen. Konkrete Pläne zur Bekämpfung von Zwangssterilisierungen werden dort nicht angekündigt.
Wer Hilfe sucht, der muss sich woanders umsehen. Im tschechischen Ostrava ist jetzt die Frauenorganisation "Association of Women Inflicted by Sterilization" gegründet worden. Sie unterstützt auch Roma-Frauen aus der Slowakei. Das Land hat sich jedenfalls dieser Tage in Sofia dazu verpflichtet, Roma-Diskriminierung nicht mehr zu tolerieren. Dass einer Roma-Angehörigen jetzt Schmerzensgeld zuerkannt worden ist, kann als Indiz gewertet werden, dass zumindest guter Wille vorhanden ist. Der Sohn der Frau war vor 10 Jahren von Skinheads geprügelt, erstochen und angezündet worden.