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Zweckbündnis wider das Misstrauen

Von WZ-Korrespondent Wu Gang

Politik

China sicherte Russland erneut seine fortwährende Unterstützung zu - auch wenn die Harmonie nicht ganz ungetrübt ist.


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Peking. Als Außenminister Wang Yi vergangene Woche im Rahmen des Nationalen Volkskongresses Chinas Diplomatie erklärte, konnte man teilweise den Eindruck gewinnen, er würde gerade ein Symposium zur russisch-chinesichen Freundschaft leiten. Am Rande einer Pressekonferenz des chinesischen Parlaments beschwor er die Partnerschaft der beiden Nachbarn, die von "internationalen Unbeständigkeiten" und "Drittparteien" in keinster Weise beeinflusst werde. Er unterstrich die enge Beziehung der Präsidenten der beiden Länder - Xi Jinping und Wladimir Putin hatten sich alleine im vergangenen Jahr fünf Mal persönlich getroffen - und kündigte weitere Kooperationen an. Wang nannte gemeinsame Projekte wie Hochgeschwindigkeitszüge und die Entwicklung eines Langstreckenflugzeuges sowie eine Zusammenarbeit in Sektoren wie Finanzen, Öl, Gas und Kernenergie. Vor allem aber betonte der Außenminister eines: "China und Russland sind permanente Mitglieder im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Wir werden unsere strategische Koordination vertiefen, um Frieden und Sicherheit auf der Welt zu gewährleisten."

Angesichts dieser langen Auflistung fiel Wangs Schweigen zum Ukraine-Konflikt umso lauter aus. Die Kommentare des Außenministers sollten Putin also signalisieren, dass Russland auf die fortwährende Unterstützung Chinas zählen darf, trotz oder gerade wegen der Sanktionen des Westens nach der Annexion der Krim und des fortwährenden Konflikts in der Ostukraine.

Pragmatismus vor Prinzipien

Die kurzfristige Hoffnung des Westens, dass sich China nach der Stimmenthaltung bei der Abstimmung über das Krim-Referendum im UN-Sicherheitsrat im letzten Jahr gegen Russland stellen könnte, war also eine trügerische. Zwar hatte die Volksrepublik - die sich selbst immer wieder von separatistischen Tendenzen etwa in Xinjiang oder Tibet bedroht sieht - mit den Geschehnissen auf der Krim zunächst wenig Freude.

Doch da eherne Prinzipien gegen pragmatische Überlegungen stets den Kürzeren ziehen, führte China die zuvor mit der Ukraine vereinbarten Infrastrukturprojekte auf der Halbinsel kurzerhand unter russischer Herrschaft fort. Und: So ungelegen kam die Krise für die Supermacht in Asien dann auch wieder nicht. Nach einer Expertise des Berliner Mercator-Instituts könne es sich das Land "in einer Schaukelpolitik zwischen Europa und Russland bequem einrichten", um stets den maximalen Vorteil für sich herauszuschlagen. Mit anderen Worten: Wenn einer von der Krise im fernen Europa profitiert, dann ist es China.

Das wissen natürlich auch die Russen, die sich in der Umklammerung des vermeintlich engsten Partners zunehmend unwohler fühlen. Das liegt nicht nur an dem historischen Misstrauen, welches sich aus der wechselseitigen Geschichte der beiden Länder nährt. Die wirtschaftliche Überlegenheit der Volksrepublik schafft Abhängigkeiten, die Putin mit anderen Allianzen zu überbrücken versucht. So traf er unter anderem eine neue strategische Vereinbarung mit Pakistan und sicherte sich die Unterstützung des China-Skeptikers Narendra Modi aus Indien. Und zu guter Letzt wird der russische Präsident im Verlauf des Jahres sogar den westlichen Verbündeten Japan besuchen. Letzteres dürfte von China mit Argusaugen beobachtet werden, sind doch die Beziehungen der beiden Länder unter anderem wegen der Konflikte im Ostchinesischen Meer angespannt.

Russland zeigt auch, dass es mit der eurasischen Zollunion seinen Einfluss im zentralasiatischen Raum ausbauen will. Das bedeutet automatisch Konkurrenz und Konfrontation mit China, das umgekehrt aggressiv mit Öl- und Gaskonzernen in dieses traditionell russische Einflussgebiet vordringt.

Ein starker Kitt

Doch bei allem Misstrauen gibt es einen Kitt, der stärker hält, und das ist die gemeinsame Ablehnung gegen die als solche empfundene Hegemonie des Dollars und die Dominanz des Westens. Und den kann man im Verband schließlich ein wenig besser ärgern, etwa mit den geplanten Militärparaden zum 70-jährigen Jubiläum des Sieges über Deutschland und Japan (Ehrengast in Moskau: Nordkoreas Staatsführer Kim Jong-un). Echte Liebe klingt allerdings anders, wenn Außenminister Wang Yi die Beziehung zu Russland mit dem Satz zusammenfasst: "Wir brauchen einander."