Vier Mal auf schuldig erkannte das Schöffengericht im Prozess gegen die Verantwortlichen des Finanzdienstleisters AMIS. Die Hauptangeklagten, Dietmar Böhmer und Harald Loidl, wurden wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs zu unbedingten Freiheitsstrafen von je fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt, Thomas Mitter wegen Beitrags zum Betrug zu dreieinhalb Jahren.
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Darüber hinaus wurde Mitter wegen Abgabenhinterziehung zu einer Geldstrafe von einer Mio. Euro verurteilt. Der vierte Angeklagte, Alban Kuen, wurde wegen Abgabenhinterziehung zu einer Geldstrafe von 53.000 Euro verurteilt, vom Betrugsvorwurf wurde er freigesprochen. Alle vier Angeklagten nahmen die Strafe an. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab.
Bei Böhmer und Loidl wurde das halbe Jahr U-Haft in Venezuela wegen der dortigen harten Haftbedingungen im Ausmaß von eins zu drei angerechnet. "Von unserem Empfinden her hätten Sie sechseinhalb Jahre Haft verdient", sagte Richterin Daniela Setz-Hummel zu den Urteilen für Böhmer und Loidl. Die Geständnisse wurden strafmildernd gewürdigt. Böhmer und Loidl waren im Dezember 2005 in Venezuela festgenommen worden, nach einem halben Jahr in venezolanischen Gefängnissen wurden sie nach Österreich ausgeliefert.
Der Schaden für die über 15.000 AMIS-Anleger in Österreich und Deutschland beläuft sich auf rund 65 Mio. Euro. Zahlreiche Geschädigte hatten sich als Privatbeteiligte dem Verfahren angeschlossen. Rund 20 Anwälte der Anleger und etwa 30 Zuseher verfolgten Donnerstagabend die Urteilsverkündung.
Staatsanwalt warnt Anleger
Dietmar Böhmer, Harald Loidl und Thomas Mitter seien wie in einem "Höhenkoller" ohne Bezug zu Geld gewesen, erklärte Richterin Setz-Hummel. Das AMIS-System hätte wohl nur mit einem Lottogewinn gerettet werden können, aussteigende Anleger wurden als "Lockvögel" genutzt und voll ausbezahlt, um andere Anleger im falschen Glauben über die Sicherheit ihrer Gelder zu lassen. Hätte man die früh aussteigenden Anleger nur mit den tatsächlichen Anteilen bezahlt, hätte es eine Stornierungswelle gegeben.
Staatsanwalt Georg Krakow mahnte in seinem Schlussplädoyer alle Anleger zur Vorsicht: Sie sollten ihren Finanzberatern "Löcher in den Bauch" fragen und alle Versprechen kritisch hinterfragen.
Privatbeteiligte hoffen auf vorhandene Werte
Sämtliche Ansprüche der Privatbeteiligten bzw. der AMIS-Geschädigten wurden vom Schöffensenat auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Richterin Daniela Setz-Hummel begründete dies einerseits damit, dass im Strafverfahren die Schuld oder Unschuld geklärt werde, andererseits damit, dass es mehr als 12.000 Privatbeteiligtenanschlüsse gebe. Allein während der Hauptverhandlung seien 150 Neue hinzugekommen. "Das ist nicht bewältigbar", so die Richterin, es wären massive zusätzliche Erhebungen notwendig gewesen.
Einen Plan, wie die Geschädigten zu einem Teil ihres Geld kommen könnten, skizzierte die Richterin dahingehend, dass es Gelder von Dietmar Böhmer gebe, die eingefroren, und Häuser, die noch nicht versteigert worden seien. Laut Bundeskriminalamt (BKA) sollte es in den USA noch hohe Vermögenswerte geben. Das Oberlandesgericht (OLG) werde die Exekution durchführen, das Geld aber nicht behalten. Die Privatbeteiligten könnten sich an die Finanzprokuratur wenden, diese werde über die Verteilung dieser Mittel entscheiden, sie kommen den Geschädigten zugute. "Dieser Titel wird 30 Jahre halten", so die Richterin. Nicht jeder einzelne Geschädigte müsste dafür zum Zivilgericht gehen, um Geld einzufordern.
(APA)