Putin und Poroschenko ringen in Mailand um Lösung im Ukraine-Konflikt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Kiew/Moskau. Die Anzeichen, dass es in der Ukraine-Krise zu einem Kompromiss zwischen Kiew und Moskau kommen könnte, verdichten sich: Am Donnerstag und Freitag findet in Mailand der insgesamt zehnte Europa-Asien-Gipfel statt, und das hochkarätig besetzte Treffen soll zu Gesprächen genutzt werden. Der russische Präsident Wladimir Putin, sein ukrainischer Amtskollege Petro Poroschenko und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sollen mit vier weiteren EU-Chefs über die Ukraine-Krise beraten.
Russland hat zuletzt Signale der Entspannung ausgesandt: Nachdem sich Putin gegen Forderungen, russische Truppen von der Grenze zur Ukraine abzuziehen, lange gesträubt hatte, ordnete er nun den Abzug tausender Soldaten an - und erfüllte damit eine der Bedingungen des Westens zur Aufhebung der Sanktionen. "Die Truppen ziehen sich zurück", bestätigte US-Außenminister John Kerry. Allerdings betonte Kerry, dass das nicht ausreiche. Es müsse auch noch "die schwere Ausrüstung zurückgezogen und die Grenze angemessen überwacht und gesichert werden".
"Im Prinzip wollen beide Seiten den Waffenstillstand, zumindest beide Präsidenten", sagte der Osteuropa-Experte Gerhard Mangott der "Wiener Zeitung". Er verweist allerdings auch darauf, dass Poroschenko mit seinem weniger bellizistischen Kurs innenpolitisch unter Druck steht: Im Vorfeld der ukrainischen Parlamentswahlen am 26. Oktober profilieren sich nicht nur die dezidiert nationalistischen Parteien wie die Freiheitspartei (Swoboda) oder die Radikale Partei des Populisten Oleh Ljaschko als Vertreter eines harten Kurses. Auch auf den Listen der Parteien von Premierminister Arseni Jazenjuk oder Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko kandidieren Rechtsaußen-Politiker. Die nationalistische Welle, die im Sommer über die Ukraine schwappte, scheint allerdings bereits abgeebbt zu sein: Die militärischen Erfolge der prorussischen Rebellen Ende August haben ebenso wie die zunehmenden Opfer zu einer gewissen Kriegsmüdigkeit beigetragen. Der gemäßigte Kurs des ukrainischen Präsidenten hat so gesehen durchaus Aussicht auf Erfolg.
Putin dürfte es innenpolitisch leichter haben. Seine Ziele in der Ukraine zu erreichen, wird für den russischen Präsidenten aber wohl schwer. Zu einer international festgelegten Bündnisfreiheit, einer innenpolitische Föderalisierung des Landes und einer Neuverhandlung des Assoziierungsabkommens wird sich Kiew - noch dazu auf russischen Druck hin - wohl kaum bereitfinden. "Mit der Waffenruhe kann Putin zumindest jene Frontlinie stabilisieren, die sich die prorussischen Rebellen jüngst erkämpft haben", sagt Mangott. Er sieht - nachdem Poroschenko gegen starken Widerstand ein Gesetz über einen speziellen Status der Ostukraine im Parlament durchgeboxt hat - nun Russland am Zug. "Entweder Russland übt Druck auf die Rebellen aus, und es gibt einen Kompromiss. Oder die Gebiete um Donezk und Lugansk bilden den nächsten eingefrorenen Konflikt in Osteuropa", sagt Mangott. Nachdem ein "frozen conflict" die Annäherung der Ukraine an den Westen, insbesondere einen Nato-Beitritt des Landes besser torpedieren könnte als ein Kompromiss, hält der Politologe dieses Szenario auch für das wahrscheinlichere.
Streit um Schulden
Nicht nur Donezk und Lugansk stehen im Zentrum der Gespräche zwischen Putin und Poroschenko. Es soll auch um den Gasstreit zwischen beiden Staaten gehen. Russland und die Ukraine hatten sich zuletzt bei Gesprächen unter Vermittlung von EU-Energiekommissar Günther Oettinger mühsam auf einen Gaspreis von 385 US-Dollar für 1000 Kubikmeter Gas verständigt - für fünf Milliarden Kubikmeter, die Russland der Ukraine im Winter liefern muss. Dennoch sind sich Kiew und Moskau vor allem bei der Frage der Rückzahlung der ukrainischen Schulden beim russischen Gasbetreiber Gazprom weiter uneins.
Werner Faymann trifft am Freitag in Mailand den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Das Treffen sei um 15.15 Uhr geplant. Vor dem Vier Augen-Gespräch sei ein Treffen auf Delegationsebene geplant. Faymann wird vor dem Treffen mit Putin ein Gespräch mit dem OSZE-Vorsitzenden und Schweizer Bundespräsident Didier Burkhalter führen. Der Kanzler referiert am Donnerstagnachmittag auch in der ersten Plenarsitzung des ASEM-Gipfels über die Rolle der Wirtschaftsbeziehung Europa-Asien.