Für die Gewerkschaft sind die Frühpensionierungen erklärbar.
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"Wiener Zeitung": Die Wiener ÖVP bezeichnet es als Privileg der Wiener Beamtenschaft, frühzeitig in Pension gehen zu können. Was ist Ihre Meinung dazu?Kurt Obermülner: Aus meiner Sicht gibt es keine Privilegien. Die Frühpensionierungen erklären sich durch die hohe Anzahl von Dienstleistungsberufen mit zusätzlichen Erschwernissen im psychischen und körperlichen Bereich und der großen Anzahl an vollzeitbeschäftigten Frauen. Dazu kommt noch, dass Frauen bei uns das gleiche gesetzliche Pensionsantrittsalter haben wie Männer. Das heißt, dort wo in der Privatwirtschaft Alterspension gewährt werden würde, rechnet man es bei uns zu den Frühpensionierungen dazu.
Wie kommt dann die ÖVP auf ihre Kritik?
Weil die Statistiken von der Stadtregierung und den Magistratsverantwortlichen nicht so aufbereitet werden, dass diese Unterschiede erkennbar sind. Damit wird der Opposition Material für ihre Kritik geliefert.
Warum sollte die Stadtregierung das tun?
Weil sich die Kritik gegen die Beamten richtet und die Sozialdemokraten sie dann demonstrativ verteidigen können.
Sie denken, es ist eine bewusste Strategie der SPÖ, der Opposition schlecht aufbereitete Zahlen zu liefern?
Ja, man will die Opposition provozieren, um sich als großer Beschützer der Gemeindebediensteten aufspielen zu können. Was allerdings nicht stimmt, wenn man sich ansieht, unter welchen schlechten Arbeitsbedingungen diese mitunter zu leiden haben.
Aber führt nicht genau das zu frühzeitigen, krankheitsbedingten Pensionierungen, die die Personalstadträtin Sandra Frauenberger nun durch ein betriebliches Eingliederungsmanagement eindämmen will?
Ja, aber aufgrund der Erfahrungen aus der Mobbingberatung und der betrieblichen Sozialarbeit befürchte ich, dass die Rahmenbedingungen für diese Maßnahme nicht passen werden. Denn so etwas kann nur funktionieren, wenn es von adäquaten Umschulungsangeboten für die spezifischen Berufsgruppen begleitet wird - verschränkt mit sozialer Sicherheit.
Was meinen Sie konkret mit sozialer Sicherheit?
Es müsste gewährleistet sein, dass die Betroffenen keinen Verdienstentgang haben. Ansonsten verstecken sie ja weiter ihre Krankheiten, nur um nicht umgeschult zu werden. Außerdem befürchte ich ein Szenario, dass Konsequenzen drohen könnten, wenn jemand nicht bereit ist, das betriebliche Eingliederungsmanagement in Anspruch zu nehmen. Beides würde erneut zu mehr Frühpensionierungen führen.
Aber wurde nicht für genau diese Punkte seinerzeit die MA 3 (Bedienstetenschutz und berufliche Gesundheitsförderung) ins Leben gerufen?
Wenn man bedenkt, dass es für die betriebliche Sozialarbeit nur zwei Kolleginnen in der MA 3 gibt, die für 30.000 Gemeindebedienstete zuständig sind, dann ist das grotesk. Dabei wäre ein betrieblicher Beratungsdienst ein gutes niederschwelliges Angebot für Betroffene - ohne, dass große Stigmatisierungseffekte oder disziplinarrechtliche Verfahren zu befürchten wären. Für nur zwei Sozialarbeiterinnen ist das allerdings eine unzumutbare Überbelastung - und wahrscheinlich der Weg zur nächsten Frühpension. Auch die Personalausstattung der Mobbingberatung beim unabhängigen Bedienstetenschutzbeauftragten ist mit drei Personen lachhaft.
Es liegt also nur am Personal?
Nein, dass das Ganze nur eine Alibihandlung ist, zeigt sich vor allem dadurch, dass es keine adäquaten Verfahren gibt, mit denen man schwer belastende Konflikte bearbeiten kann. Es gibt zum Beispiel eine Dienstaufsichtsbeschwerdemöglichkeit, aber Parteienstellung gibt es keine. Das heißt, man erfährt nicht einmal, was erhoben wurde und welche Konsequenzen gesetzt wurden. Und das ist für Betroffene etwas Unhaltbares.
Zur Person:
Kurt Obermülner ist Landesvorsitzender der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) in der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, Kunst, Medien, Sport, freie Berufe.