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Zwei Debakel, zwei Wahlkämpfe

Von Walter Hämmerle

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Natürlich war im Jahr 1986 alles ganz anders. Und dennoch finden sich erstaunliche Parallelen.


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Seit Ausbruch der Finanzkrise haben wir uns daran gewöhnt, mit Milliardenbeträgen nonchalant zu jonglieren. Ohne jede Emotion. Die Summen sind schlicht zu groß, als dass man sich Konkreteres darunter vorstellen könnte. Was bedeutet es schon, dass die Hypo den Steuerzahler bis zu zehn Milliarden Euro kosten könnte? Vodafone erhält genauso irreale 130 Milliarden für sein Mobilfunkgeschäft in den USA und der englische Fußballklub Tottenham 100 Millionen Euro von Real Madrid für einen begnadeten Linksfuß namens Gareth Bale.

Was bleibt, sind Zahlen mit ziemlich vielen Nullen.

Das und der Umstand, dass beim Hypo-Debakel alles sehr kompliziert ist, sorgen dafür, dass sich das Thema nicht so wirklich im Wahlkampf verfängt. Geschichten mit verworrener Storyline eignen sich nicht für Wahlkampagnen (was unserer Variation von demokratischer Auseinandersetzung kein berauschendes Zeugnis ausstellt).

Um dennoch irgendwie ein Gefühl für die Dimensionen der Malaise zu erahnen, empfiehlt sich ein Blick auf 1986, ebenfalls ein Wahljahr. Mitunter hilft der Blick in die Vergangenheit, wenn man die Gegenwart nicht mehr zu fassen bekommt.

Psychologisch befand sich das Land damals in einem Schockzustand. Die Verstaatlichte war de facto pleite, zu den Milliardenverlusten im laufenden Betrieb gesellten sich noch erhebliche Fehlinvestments in Übersee und Spekulationswahnsinn. Insgesamt mussten die Steuerzahler rund 60 Milliarden Schilling berappen. Inflationsbereinigt entspricht das etwa 7,7 Milliarden Euro.

Kein Wunder, dass sich auch die Politik im Dauer-Ausnahmezustand befand. Am Ruder war damals eine Koalition aus SPÖ und FPÖ (ja, auch das gab es), und die oppositionelle ÖVP ging die Regierung wegen der Verstaatlichen-Pleite hart an.

Wirklich verfangen hat diese Strategie allerdings nicht. Und das hatte mehrere Gründe.

Zum einen erschütterte am 26. April das Reaktor-Unglück in Tschernobyl ganz Europa und sorgte über Wochen hinweg für ein neues Top-Thema. Zudem wurde das Land, von außen wie von innen, einer politischen Katharsis unterzogen: Die Kandidatur Kurt Waldheims für das Amt des Bundespräsidenten (die Wahl fand im Frühjahr 1986 statt) stürzte die Republik in eine erbittert geführte Auseinandersetzung über die eigene Verwicklung in die NS-Verbrechen. Kanzler Kurt Sinowatz, der eine unrühmliche Rolle in der Auseinandersetzung spielte, nahm den Hut und kürte Finanzminister Franz Vranitzky zum Nachfolger. Vranitzky nutzte im Herbst die Wahl Jörg Haiders zum FPÖ-Obmann zum Absprung aus der rot-blauen Koalition und rief für den
23. November Neuwahlen aus.

Die Milliardenkosten der Verstaatlichten waren plötzlich kein Thema mehr. Die SPÖ behielt mit 43,1 Prozent (-4,5) knapp vor der ÖVP mit 41,3 Prozent (-1,9) die Oberhand. Die FPÖ verdoppelte sich auf 10 Prozent, die Grünen erreichten Historisches, nämlich den Einzug in den Nationalrat. Es begann die zweite lange Ära der Großen
Koalition.

Nur: Wie legt man all das auf die Gegenwart um?