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In dieser Woche stellt 3sat Philosophen des 20. Jahrhunderts vor. Am Dienstagabend wurden Martin Heidegger und Karl Jaspers in Bild- und Tondokumenten präsentiert, heute folgt Ernst Bloch. Den Auftakt der philosophischen Revue bildeten am Montagabend zwei Denker aus Wien: Ludwig Wittgenstein und Sir Karl Popper. Von Wittgensteins scharf geschnittenem Asketenschädel sah man zahlreiche Fotos, Filme wurden keine gezeigt. (Mag sein, dass es keine gibt.) Stattdessen erklärten Philosophen und Sprachwissenschaftler in meist präziser Rede die Wittgenstein'sche Sprachphilosophie.
Nicht weniger interessant war der Auftritt Johann Scheibenbaumers aus Kirchberg am Wechsel. Wittgenstein war dort eine Zeit lang als Lehrer tätig gewesen, um sich von einer seiner vielen Sinnkrisen zu erholen. Sein ehemaliger Schüler Scheibenbaumer erzählte: Als er einmal eine Rechnung nicht ausführen konnte, schlug Wittgenstein ihn mit dem Kopf gegen die Wandtafel und brüllte: "Ich weiß, dass du's kannst!" Weinend versuchte es der Schüler noch einmal - mit Erfolg.
Auch Karl Popper arbeitete in jungen Jahren als Lehrer. Doch mag man ihm eine vergleichbar brachiale Pädagogik nicht zutrauen. In einem langen Interview aus den siebziger Jahren erläuterte Popper die Grundzüge seines durch und durch rationalen und humanen Denkens. Sicher war er sympathischer als Wittgenstein im Film davor. Aber das Los vieler sympathischer Menschen traf auch Popper: Sie wirken - gerade im Fernsehen - oft ein wenig langweilig, während genialisch Schwierige wie Wittgenstein den Zuschauer nachhaltiger beeindrucken.