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Mit deutlicher Mehrheit sprach das EU-Parlament gestern in Straßburg dem umgebildeten Team des designierten Kommissionspräsidenten Jose Manuel Barroso das Vertrauen aus. 449 Abgeordnete votierten für die künftige EU-Kommission, 149 dagegen, und 82 enthielten sich der Stimme. Zuvor musste sich Barroso allerdings einer teils heftigen Debatte stellen.
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Trotz ihrer Zustimmung wollten sie auf kritische Worte nicht verzichten. Denn als "einen Blankoscheck" für den designierten Kommissionspräsidenten Barroso sahen auch die Vorsitzenden der größten Fraktionen im Europaparlament - der Europäischen Volkspartei (EVP) und der SozialdemokratInnen (SPE) -, Hans-Gert Pöttering und Martin Schulz, das positive Votum nicht an.
Dieses stellte für Schulz erst "den Beginn eines Kampfes" in den kommenden Jahren dar. "Die sozialen Errungenschaften, die in den Mitgliedstaaten erkämpft wurden, können nicht auf europäischer Ebene geopfert werden", erklärte er. "Positiv-kritisch" will auch Pöttering der künftigen Kommission zur Seite stehen.
Laut Graham Watson, Fraktionsvorsitzender der Liberalen (ALDE), habe Barroso nun die Lizenz zum Arbeiten erhalten, aber nicht die Macht der Autorität. Diese müsse sich der Präsident erst erwerben. Expressiver waren die Ausführungen des Vorsitzenden der Grünen, Daniel Cohn-Bendit, dessen Fraktion gegen die künftige Kommission ist. Mit erhobener Stimme fragte er die Abgeordneten, warum sie nun für eine Mannschaft votieren, die sie noch vor wenigen Wochen ablehnten. Immerhin habe Barroso nicht alle Änderungswünsche des Parlaments berücksichtigt. "Warum ihm jetzt eine Mehrheit geben, die es ihm dann ermöglicht, uns auf die Füße zu treten?" verlangte Cohn-Bendit zu wissen.
Nur zwei ausgewechselt
Vor drei Wochen hatte Barroso seinen Kommissionsvorschlag nach heftiger Kritik an einigen künftigen Mitgliedern zurückziehen müssen. Obwohl sechs Kandidaten und Kandidatinnen umstritten waren, wechselte der designierte Präsident nur zwei aus. Der Italiener Franco Frattini übernimmt statt Rocco Buttiglione das Justiz und Innenressort, und der Lette Andris Piebalgs ersetzt Ingrida Udre. Piebalgs wird für Energiefragen zuständig - an Stelle des Ungars Laszlo Kovacs, der nun für Steuern und Zölle verantwortlich wird. Neelie Kroes, der Befangenheit vorgeworfen wird, bleibt designierte Wettbewerbskommissarin. Die Niederländerin war vor ihrer Bestellung in zahlreichen Aufsichtsräten tätig.
So stimmten die Fraktionen denn auch nicht geschlossen der umgebildeten Mannschaft Barrosos zu. Etwa ein Viertel der Liberalen und SozialdemokratInnen votierte mit Nein - ebenso wie Grüne, Linke und EU-Skeptiker. Von den 18 österreichischen Abgeordneten waren je sechs ÖVP- und SPÖ-Parlamentarier dafür. SPÖ-Abgeordneter Herbert Bösch, die Grünen und die Liste Hans-Peter Martin stimmten dagegen, FPÖ-Mandatar Andreas Mölzer enthielt sich.
"Institutionen gestärkt"
Der designierte Kommissionspräsident nahm die Zwei Drittel-Mehrheit für sein Team mit Erleichterung auf. "Ich bin sehr, sehr glücklich über das Ergebnis", meinte er. Auf die Frage, ob er Lehren aus den vergangenen Wochen gezogen habe, antwortete er jedoch ausweichend. Es sei noch zu früh, eine Bilanz zu ziehen.
In den kommenden fünf Jahren müsste die Kommission "konkrete Ergebnisse" liefern, "die sich im Alltagsleben der einzelnen Bürger auswirken", kündigte Barroso an. Es gehe darum, "mehr Wachstum und mehr Beschäftigung zu schaffen" sowie "wirtschaftliche Dynamik mit sozialer Gerechtigkeit" zu verbinden, um soziale Errungenschaften zu sichern. EU-Parlamentspräsident Josep Borrell sieht nun jedenfalls sowohl die Kommission als auch das Parlament gestärkt. Die Umbildung der Brüsseler Behörde sei das Ergebnis eines demokratischen Prozesses gewesen, und die Bestätigung der Kommission von besonderer Bedeutung. "Europa hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen", betonte Borrell.
Positive Reaktionen kamen ebenso aus Österreich. "Ich freue mich sehr über dieses klare Abstimmungsergebnis für die EU-Kommission und gratuliere ganz besonders unserer Kommissarin Benita Ferrero-Waldner", ließ Bundeskanzler Wolfgang Schüssel via Presseaussendung ausrichten. Jetzt könne die neue Mannschaft mit Nachdruck an ihre Aufgaben herangehen, erklärte Außenministerin Ursula Plassnik.
Drei Wochen später als geplant wird die designierte EU-Kommission am Montag in Brüssel ihr Amt antreten. Dass der Rat der EU-Innen- und Justizminister die Einsetzung der neuen Behörde heute beschließen muss, ist nur noch Formsache.