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Zwei Extreme, dasselbe Problem

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

Irland und Griechenland sind völlig unterschiedlich in die Krise geschlittert.


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Dublin. Beide Länder mussten sich unter den Euro-Rettungsschirm flüchten und leiden unter kaputten Banken. Damit hören sich die Gemeinsamkeiten von Irland und Griechenland schon wieder auf. Die Iren sind in vielerlei Hinsicht sogar ein krasser Gegenpol zu den Hellenen: Sie hatten im Jahrzehnt vor der Krise nicht etwa an Wettbewerbsfähigkeit und Exportstärke eingebüßt - im Gegenteil: Das Land hatte es übertrieben. Eine extreme Niedrigsteuerpolitik machte das Budget zu sehr konjunkturabhängig und angreifbar. Die Deregulierung des Finanzsektors führte dazu, dass die Kreditvergabe explodierte und die Banken dem Staat über den Kopf wuchsen. Mit dem Platzen der Immobilienblase im Jahr 2007 wurden sie zum Sargnagel.

Nachdem die damalige Regierung leichtfertig eine staatliche Garantie für die Banken abgegeben hatte, musste sie die vier größten Institute faktisch verstaatlichen. So war Irland ein Paradebeispiel dafür, dass solide Staatsfinanzen längst nicht alles sind: In einer Finanzkrise werden private Schulden rasch zu staatlichen Haushaltsproblemen. "Nahezu alle Bankschulden wurden zu Staatsschulden", erklärte jüngst Ajai Chopra, Europa-Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF). Noch dazu waren die Haushalte mit mehr als 200 Prozent des verfügbaren Einkommens ebenfalls hoch verschuldet.

Risikotransfer zum Staat

Die Folgen für die Staatsfinanzen waren katastrophal. Das irische Budgetdefizit ist 2010 auf rekordverdächtige 31,2 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung eines Jahres explodiert. Mit der vorbildlichen Staatsverschuldung - 2008 wurde die Maastricht-Latte mit 44,2 Prozent Schuldenquote locker unterschritten - war es damit auch vorbei: Im abgelaufenen Jahr belief sich der Schuldenstand laut Eurostat auf 108,2 Prozent.

Jetzt wächst die irische Wirtschaft dank anziehender Exporte wieder - wenn auch bescheiden. 2011 betrug das Plus 0,7 Prozent, für heuer werden 0,5 Prozent prognostiziert. Das ist zwar mehr als im Durchschnitt der Eurozone, wird aber zu wenig sein, um die Arbeitslosigkeit zu senken - und die ist mit gut 14 Prozent mehr als dreimal so hoch wie vor der Krise. Genau das macht dem IWF die größten Sorgen: Die Arbeitslosigkeit droht sich dauerhaft zu verfestigen. Die mittelfristigen Wachstumsaussichten sind schwach, nicht zuletzt, weil der Inlandskonsum stagniert.

Was den Spar- und Reformkurs anbelangt, erweist sich Irland hingegen als IWF-Musterschüler: "Die Ziele wurden erreicht, die politische Umsetzung war auf allen Ebenen sehr gut", lobte Chopra. Irland kann sich selbst - mit Abstrichen - bereits wieder erste Kredite beschaffen.