Der Luxemburger Jean-Claude Juncker will bis nächsten Mittwoch sein Team zusammenstellen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel. Der designierte Chef der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker gibt sich sichtlich Mühe, die europäischen Sozialdemokraten (S&D) bei der Stange zu halten, schließlich braucht er nächste Woche ihre Stimmen. Der Luxemburger sagte am Dienstag im EU-Parlament, dass im Fall seiner Wahl, der wichtige Posten des EU-Wirtschafts- und Währungskommissars an einen Sozialdemokraten gehen würde. Er wünsche sich, dass die Zusammensetzung der nächsten Kommission das Ergebnis der EU-Parlamentswahl im Mai reflektiert. Dabei erhielt die S&D-Fraktion unter Martin Schulz 25,43 Prozent der Stimmen. Bleibt Juncker bei dieser Aussage, so könnten noch weitere Top-Jobs an andere Parteien als Junckers Europäische Volkspartei (EVP) fallen. Nachbesetzt wird etwa der scheidende EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und das Amt der "Hoher Repräsentantin" der EU-Außenpolitik Catherine Ashton. Dazu kommt die erst im nächsten Jahr anstehende Nachfolge von Jeroen Dijsselbloem als Eurogruppen-Chef. Der Posten des Außenbeauftragen ist neben dem EU-Kommissionspräsidenten einer der wichtigsten. Wer auch immer diesen Titel ab Oktober innehaben wird, ist auch für fünf Jahre Vizepräsident der EU-Kommission. Juncker hat erklärt, dass er "nur einen Hohen Repräsentanten akzeptieren wird, der über die notwendige Befähigung und Erfahrung verfügt, um diese Rolle voll auszuüben". Ein Diplomat meinte, dies könnte als Absage an die junge italienische Außenministerin Federica Mogherini interpretiert werden, deren Namen der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi ins Spiel gebracht hatte. Mogherini gehört den italienischen Sozialdemokraten an.
Mehr Chancen hätte da etwa die bulgarische Konservative Kristalina Georgiewa, die bisher EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe gewesen ist. Sie wird auch von anderen Fraktionen unterstützt. Die österreichische Grünenpolitikerin und Vizepräsidentin des EU-Parlaments Ulrike Lunacek sagte etwa, Georgiewa sei für diese Rolle "am besten geeignet", denn sie sei "in dieser Welt zu Hause". Im Gespräch sind auch der ehemalige slowakische Außenminister Miroslav Laijcak, Schwedens Außenminister Carl Bildt und der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski. Letzterem könnte jedoch durch die Abhöraffäre, die in den letzten Monaten Polens Zeitungen füllte, jede Chance auf eine erfolgreiche Nominierung genommen worden sein. Da Juncker aber die Auflage erhielt, wie sein Vorgänger, mindestens neun Frauen in der Kommission haben zu müssen, ist es aber wahrscheinlich, dass eine Frau die Nachfolge von Catherine Ashton antreten wird.
Eine Ratspräsidentin von außerhalb der Eurozone?
Im Fall der EU-Ratspräsidentschaft stehen die Zeichen besonders gut für die dänische Premierministerin Helle Thorning-Schmidt. Die 47-jährige Sozialdemokratin war bereits in der Debatte um den neuen Kommissionschef von den Briten vorgeschlagen worden und erhielt zuletzt hohes Lob von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die aber auch bemerkte, dass Thorning-Schmidt ihr Job als Premierministern "sehr liege". Ginge der Posten an die Dänin, so wäre der Ratsvorsitz in Händen eines Landes außerhalb der Eurozone.
Andere Kandidaten für die Nachfolge von Herman Van Rompuy sind Irlands Ministerpräsident Enda Kenny, Italiens Ex-Regierungschef Enrico Letta und die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite.
Der Stuhl des gegenwärtigen Chefs der Eurogruppe Jeroen Djisselbloem wird zwar erst nächstes Jahr frei, jedoch gibt es auch dafür schon einen ernsthaften Anwärter. Der konservative spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos gilt als Architekt der Bankensanierung in seinem Land.
Juncker muss sein Team bis September beisammen haben. Eine Entscheidung über diese und auch andere Schlüsselpositionen in der EU wird aber schon für einen Tag vor dem EU-Gipfel nächsten Donnerstag erwartet, denn da tagen die Spitzen der Europäischen Volkspartei und der Sozialdemokraten in Brüssel. Am Mittwoch soll das Europäische Parlament auch den Christdemokraten Jean-Claude Juncker offiziell zum EU-Kommissionspräsidenten wählen.