In diesem Jahr wird die Bundesrepublik 60 Jahre alt und das in Freiheit wieder vereinigte Deutschland 20 Jahre. Ein Gedenkjahr, an dem auch die Kultur nicht vorbeikommt.
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In der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels, in Halle an der Saale, gründete vor mehr als 300 Jahren Pfarrer Francke nach ihm benannte soziale Stiftungen. In dem riesigen barocken Waisenhaus sitzt heute unter anderem die "Kulturstiftung des Bundes", vor sieben Jahren gegründet und mit einem Jahresbudget von 35 Millionen Euro ausgestattet.
Im Jahr 2009 werden zwei Ereignisse der Zeitgeschichte gewürdigt: die Gründung zweier deutscher Staaten und der Fall der Mauer - Anlass, Geschichte und Bedeutung dieser Daten neu zu befragen. Mit sechs Projekten beteiligt sich die Kulturstiftung am Gedenkjahr an diesem Nachdenken.
Höhepunkt soll das "Festival Geschichtsforum" in Berlin werden, eine Agora zeitgeschichtlicher Reflexionen. Vier Tage lang diskutieren Wissenschafter, Zeitzeugen, Künstler, Publizisten und Politiker mit dem "Stargast", dem Londoner Historiker Timothy Garton Ash. Die Themen: die friedliche Revolution 1989, die Parallel- und Beziehungsgeschichte des geteilten Deutschlands und die Entwicklung seit 1989.
Auf dem "multidisziplinären Campus im Herzen Berlins" können sich auch Bürgerinitiativen, Kultur-, Bildungs- und Forschungseinrichtungen beteiligen. Workshops und multimediale Präsentationen sollen neben künstlerischer Auseinandersetzung mit der Geschichte in Filmen, Theateraufführungen, Lesungen und Musik stehen.
Dass sich schon lange vor der politischen Wende ein tiefgreifender innerer Wandel abzeichnete, belegt die Filmreihe "Winter adé - Filmische Vorboten der Wende". Mit der Berlinale im Februar beginnend, werden in abendfüllenden Programmen deutsche und osteuropäische Filme gezeigt, die im letzten Jahrzehnt des Kalten Krieges entstanden sind und in denen sich die Ahnung des Bevorstehenden manifestierte.
Unter dem Titel "Kunst und Kalter Krieg" geht eine Ausstellung auf Reisen (Los Angeles, Nürnberg, Berlin), in der etwa 300 herausragende Werke der Malerei, Skulptur, Grafik, Fotografie und Installationskunst gezeigt werden sowie Bücher und Videos von mehr als 120 Künstlern, die zwischen 1945 und dem Ende der deutschen Teilung 1989 in der Bundesrepublik und der DDR entstanden sind. Das Projekt "Material" zeigt das filmisch-historische Panorama des Ost-Berliner Filmemachers Thomas Heise und dessen Sicht auf Selbstbild und Alltag der DDR.
In einem zweijährigen Projekt versucht die Berliner Schaubühne eine theatralische "Annäherung an eine unbehagliche Identität". Zu jedem Jahrzehnt deutscher Nachkriegsgeschichte entstanden "Minidramen". Ein Komödienwettbewerb soll die politischen und gesellschaftlichen Konflikte in der Tradition von Kleist oder Dürrenmatt bearbeiten. Den Abschluss bildet im März ein Festival an der Schaubühne mit etlichen Uraufführungen. Das Theaterhaus Jena stellt die provokante Frage, ob es 1989/90 eine "ostdeutsche Alternative zwischen Sozialismus und Kapitalismus" gegeben hätte und wie Deutschland dann heute aussähe.
Alle Projekte beschäftigen sich mit dem Beitrag von Künstlern in ihrer Rolle als Chronisten und Kommentatoren der deutsch-deutschen Zeitgeschichte und der gesamtdeutschen Verhältnisse. Durch einen Brückenschlag zwischen Kunst, Kultur, Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit soll die Auseinandersetzung mit der gemeinsamen und getrennten Geschichte der vergangenen 60 Jahre neue Impulse erhalten.
Vielleicht können damit ein paar Ziegel aus der "Mauer in den Köpfen" zertrümmert werden.