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In dem Kinderbuch "Abenteuer von Elif und Clara" erklärt Adis Serifovic, wie Integration auch funktionieren kann.
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Wien. Elif und Clara sind beste Freundinnen. Die eine hat glatte blonde Haare. Bei der anderen sieht man die Haare nicht, weil sie unter einem violettfarbenen Kopftuch verborgen sind. Sie beide lieben ihre Haustiere. Während die kleine Elif, eine Österreicherin mit türkischen Wurzeln, flauschige Küken bevorzugt, liebt Clara, eine "autochthone" Österreicherin, ihren dicken Kater Theo, der ständig auf Diät gesetzt werden muss. Eines Tages beschließen die beiden Mädchen, ihre Haustiere in die Schule mitzunehmen. Haustiere in der Schule, unmöglich. Das befinden sowohl die Lehrer als auch die Eltern. Die Aktion sorgt für einen Eklat bei den Eltern von Elif und Clara. Zuerst geht es nur um die Haustiere. Und irgendwann um etwas ganz anderes. Claras Mutter beginnt, Elifs Eltern scharf zu kritisieren, wirft ihnen vor, "den Schlüssel zur Integration nicht gefunden zu haben" und weist dabei auf die Herkunft und die Kleidung der türkischstämmigen Eltern hin.
Oft wird über den sogenannten "Schlüssel zur Integration" in Politik und Medien diskutiert. Welchen Zugang haben Kinder zu dieser Debatte? Wie nehmen sie das ständige Hickhack von Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft, der "Ihr"- und "Wir"-Debatte, "Integration" und "Assimilation" wahr?
Diese Fragen beschäftigen den Jungautor Adis Serifovic in seinem Kinderbuch "Abenteuer von Elif und Clara". "Die beiden Freundinnen sind ein Paradebeispiel für den interreligiösen Dialog und eine Freundschaft unabhängig von religiöser Zugehörigkeit und Kultur", erklärt der Politikwissenschaftsstudent. Serifovic, der auch Vorsitzender der Muslimischen Jugend Salzburgs ist, wurde vor 23 Jahren in Bosnien geboren. Im Zuge des Balkankrieges kam er 1992 mit seiner Familie nach Österreich. Sein Vater ist muslimisch, seine Mutter serbisch-orthodox. "Vor dem Krieg stellte das damals eine recht geläufige Partnerschaft in Bosnien dar", erklärt Serifovic. Während des Bosnienkriegs, zwischen 1992 und 1995, in dem es zu ethnischen Säuberungen der muslimischen Bevölkerung kam, sah sich die Familie seines Vaters gezwungen zu flüchten. Serifovic war zu diesem Zeitpunkt zwei Jahre alt. "Im Krieg wurden viele aufgrund ihrer muslimischen Identität gefangen genommen, in Konzentrationslager gesteckt oder ermordet", erzählt er.
Immer mehr geben zu müssen als die anderen
Auch sein Vater wurde in Gefangenschaft genommen, die Flucht nach Österreich gelang der kompletten Familie erst im Mai 1992. Zuerst kam die Familie in ein kleines Dorf in den Bergen nahe Salzburg. "Ich war dort einer der wenigen Ausländer und assimilierte mich fast vollkommen in die Gesellschaft", erinnert er sich heute. Er, der Muslim, besuchte die Kirche. Er assimilierte sich so stark, dass er irgendwann auch gar kein Bosnisch mehr sprach. "Ich wollte nicht anders sein als meine Mitschüler", erklärt der Salzburger. In der Schule hat er sich immer sehr angestrengt, darauf haben seine Eltern beharrt. Die schulischen Leistungen ihres Sohnes und seiner älteren Schwestern waren ihnen wichtig.
"Ich entwickelte das Gefühl, immer mehr geben zu müssen, um in der Gesellschaft anzukommen", reflektiert Serifovic diese Zeit. Damals entdeckte er auch seine Liebe zum Lesen und spielte viel in der Natur. Diese Kombination aus Leselust und fantasievollem Spielen veranlasste den damals 13-jährigen Serifovic schließlich, selbst zum Stift zu greifen und zu schreiben.
"Mein erstes Büchlein handelte über ein Abenteuer eines Vampirs, ich ließ es sogar schön binden", sagt der Schriftsteller und lacht. Neben der Schule wurde die Zeit knapp, Serifovic konnte damals zwei Bücher fertigstellen - eine verrückte Fantasy-Story und eine Novelle. In seiner Jugend schrieb er einige Zusammenfassungen von Geschichten, um "nach der Matura so richtig loslegen zu können". Doch neben der Arbeit und dem Studium blieb nicht viel Zeit für das Schreiben. Nebenbei engagiert sich Serifovic für "Melete", eine Plattform, die Männer und Frauen mit Migrationshintergrund dabei unterstützt, in der Erwachsenenbildung Fuß zu fassen.
Integration mit einem dicken Kater
Irgendwann bot sich dem Salzburger mit bosnischen Wurzeln eine Chance, sein schreiberisches Können einer breiten Masse zugänglich zu machen. "Ich erfuhr von einem Kreativwettbewerb für junge Muslime, dem Creative Muslim Contest", erzählt der 23-Jährige. Es ging darum, sich kreativ mit dem Thema "Integration" zu beschäftigen, entweder literarisch, künstlerisch oder musikalisch. "Da wusste ich, dass ich mich wieder ans Schreiben machen möchte und schrieb das Kinderbuch ,Elif und Clara - der geheime Schlüssel‘", sagt er. Beim Wettbewerb belegte der Student zwar nur den zweiten Platz in der Sparte "Text", bekam aber plötzlich Angebote, das Buch drucken zu lassen. Fast zwei Jahre später erschien "Abenteuer von Elif und Clara" im Alhamra-Verlag.
Das Buch scheint bei den Kindern sehr gut anzukommen, Serifovic hielt sogar einige Workshops dazu. Dabei bespricht er mit den jungen Lesern den Inhalt des Buches, und sie malen gemeinsam das "Maskottchen" der Geschichte - den fülligen Kater Theo. Der Student skizzierte damals die Charaktere seines Buchs selbst.
Serfovic ist der wertschätzende Umgang miteinander ein wichtiges Anliegen. Das soll sich in seinem Buch widerspiegeln. Die beiden Mädchen Elif und Clara zeigen nämlich ihre Gemeinsamkeiten, lassen sich von den Eltern nicht gegeneinander aufstacheln und bauen ihre Gemeinsamkeiten - wie beispielsweise ihre Vorliebe für Katzen - aus, anstatt sich nur auf ihre Unterschiede zu fixieren. Somit ist ihr wertschätzender Umgang miteinander ein Appell an unsere heutige Gesellschaft, für eine Welt ohne Diskriminierung.