Die Atomkraftwerke Temelín und Dukovany in Tschechien nahe der österreichischen Grenze sollen erweitert werden.
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Prag/Wien. Temelín hat zwei. Dukovany hat vier. Baut man noch je einen dazu, hat man insgesamt acht. Soweit könnte sich die Anzahl der Atomreaktoren in Tschechien erhöhen, wenn es nach den Plänen der Regierung geht. Nachdem die geplante Erweiterung des südböhmischen Atomkraftwerks (AKW) Temelín im April als unrentabel abgesagt worden war, baut die Regierung dennoch weiter auf Atomkraft. Der neueste Plan von Industrieminister Jan Mládek (CSSD) sieht nun vor, beide tschechischen Atomkraftwerke, Temelín und Dukovany in Südmähren, um je einen Reaktorblock zu erweitern. "Es scheint, es existiert fast ein Konsens, dass wir nicht zum Bau von zwei Blöcken in Temelín zurückkehren", so Mládek. "Eher sieht es so aus, dass ein Block in Temelín stehen könnte und einer in Dukovany."
Momentan seien das alles aber nur rein theoretische Erwägungen, erklärte Mládek im Rahmen eines Besuches von Ministerpräsident Bohuslav Sobotka im Industrieministerium am Prager Moldauufer. Man stehe am Anfang, es sei noch nicht einmal beschlossen, wer für den etwaigen Ausbau verantwortlich sein soll. "Ob das die CEZ (die halbstaatlichen Elektrizitätswerke, Anm.), ein Staatsunternehmen oder ein Joint Venture übernehmen wird, steht noch offen", sagte Mládek.
So offen sie auch sein mögen, so beweisen die Pläne dennoch, dass das Konzept zur tschechischen Energieversorgung - das noch die vorherige liberal-konservative Regierung vorbereitet hat - fix vorsieht, den Anteil von Atomstrom am tschechischen Energiemix bis 2040 von einem Drittel auf 50 Prozent zu erhöhen.
Alternative Energien verpönt
Eine Zahl, die in Österreich die Alarmglocken schrillen lässt. Hier wirft man den Tschechen vor, Möglichkeiten der Versorgung aus erneuerbaren Energiequellen außer Acht zu lassen, mit denen man die Klimaziele ebenfalls erreichen könnte. Die tschechische Energiepolitik, egal welcher Couleur, verpönt alternative Energien als zu subventionsabhängig, während sie immer wieder das Schreckgespenst eines zukünftigen Energiemangels beschwört. "Die Gefahr, dass wir in 20 Jahren nicht fähig sein werden, den Energieverbrauch in unserem Land zu decken, ist noch immer akut", warnt etwa CEZ-Chef Daniel Bene.
Dass man auch das AKW Dukovany in die Zukunftspläne mit einbezieht, ist dabei nicht unlogisch. Das AKW besteht aus vier Druckwasserreaktoren des russischen Typs WWER. Im Gegensatz zu seiner jüngeren und umstritteneren Schwester in Temelín verfügen die Dukovany-Reaktoren über keine Schutzhülle. Nicht nur deswegen gilt das Kraftwerk, das zwischen 1985 und 1987 in Betrieb genommen wurde, als veraltet. Seine Laufzeit ist nur noch bis 2025 vorgesehen. Was danach kommt, muss von der Europäischen Kommission bewertet werden. Dennoch: Derzeit produziert Dukovany immerhin ein Fünftel der gesamten tschechischen Energieproduktion. Offene Kapazitäten habe das AKW auf jeden Fall, sagte der Atomingenieur und ehemalige Leiter des AKW Temelín, Frantiek Hezoucký, der Wirtschaftszeitung "E15". Wegen der Kühlung dürfe die Leistung der neuen Blöcke aber nicht größer sein als 2500 Megawatt. "Mehr schafft der Fluss Jihlava nicht", so Hezoucký gegenüber der "E15".
"Ende 2015 werden wir die notwendigen Dokumente fertig haben, um eine Erweiterung des AKW Dukovany um einen fünften Reaktorblock anzukündigen. Das heißt, wir werden alle Unterlagen fertig haben, um die obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung beginnen zu können", meint Ladislav Kríz, Sprecher der CEZ, die beide tschechischen Atomkraftwerke betreiben.
Schon jetzt hat aber Österreich, Dukovany liegt nur 35 Kilometer von der Grenze entfernt, angekündigt, einer Laufzeitverlängerung Dukovanys nicht zuzustimmen. Die Österreicher behaupten, dass Dukovany einige Mängel vorweise - und zwar nicht nur die fehlenden Reaktorschutzhüllen, die sich auch nicht durch eine Modernisierung beheben ließen. Zudem habe die Modernisierung des AKW in den Jahren 2005 bis 2012, bei der unter anderem auch die Leistung der Reaktoren von 440 Megawatt auf 500 Megawatt erhöht wurde, seinen Verschleiß beschleunigt. Das bestreitet aber das tschechische Strahlenschutzamt, dessen Vorsitzende Dana Drábová in einem Interview mit der Zeitung "E15" eine Laufzeitverlängerung des AKW für realistisch hält: "Technisch sehen wir keinen Grund, warum Dukovany nicht weitere zehn Jahre in Betrieb bleiben kann", so Drábová.
Atommüll in Dukovany
Neben der Produktion von Atomstrom dient das AKW Dukovany auch der Zwischenlagerung von atomarem Abfall aus beiden tschechischen Atomkraftwerken. Eine konkrete Antwort auf die Frage, was mit dem endgültig geschehen soll, bleibt das staatliche Energiekonzept allerdings noch schuldig. Momentan sei man auf der Suche nach einer geeigneten Lagerstätte, die 2065 in Betrieb gehen soll, heißt es nur aus Industrieministerium und Regierungsamt. Dass diese auch nahe der österreichischen Grenze liegen kann, ist dabei nicht ausgeschlossen. Vorsorglich war deshalb schon Ende Juni der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll in Prag zu Gast, um Tschechiens derzeitigen Regierungschef Bohuslav Sobotka zu warnen: Sollte das geplante Endlager Österreich zu nahe kommen, werde man alle politischen und rechtlichen Register ziehen, um das zu verhindern.
Atomkraftwerke rund um Österreich
Laut einer aktuellen Studie zu den Nationalen Aktionsplänen in den Atomkraftwerken rund um Österreich wurden mehrere Sicherheitsmängel identifiziert, die laut Greenpeace zum sofortigen Abschalten einiger Reaktoren führen müssten. Vor allem Temelín in Tschechien, Krko in Slowenien und Mochovce in der Slowakei seien betroffen. Insgesamt ist Österreich, das sich klar von der Atomkraft distanziert, von 31 Atommeilern umzingelt. Die Nichtinbetriebnahme des AKW Zwentendorf in Niederösterreich hatte 1978 zum Atomsperrgesetz geführt. Seitdem dürfen in Österreich keine AKW mehr ohne Volksabstimmung gebaut werden.
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