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Zwei Mega-Projekte in der Pipeline

Von Peter Muzik

Wirtschaft

OMV steigt gegen den Riesen Gazprom in den Ring. | Europa bevorzugt die Nabucco-Leitung. | Voestalpine bekam bereits Großaufträge. | Russen geben bei Nord Stream Gas. | Doppelt hält besser. Nach diesem Motto möchte Österreich seine künftige Versorgung mit Erdgas absichern. Am vergangenen Samstag wurde daher bei Wladimir Putins Wien-Besuch ein bilaterales Abkommen mit Russland unterzeichnet. Eine von Gazprom und dem italienischen Energieriesen Eni geplante Pipeline, bei der auch die französische Electricité de France (EDF) mitmachen möchte, könnte in absehbarer Zeit die schon mehrmals von der Ukraine verursachten Lieferengpässe vergessen lassen.


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Die 900 Kilometer lange Gasleitung South Stream soll unter dem Schwarzen Meer verlaufen und sich in Bulgarien in einen Süd- und einen Nordstrang gabeln. Dieser wird planungsgemäß über Ungarn laufe. Ab 2015 sollen unter Umgehung des jetzigen Transitlieferlands Ukraine jährlich bis zu 63 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas geliefert werden - also rund ein Drittel der Gasexporte nach Europa.

Das im Juni 2007 bekannt gewordene, in der Schweiz eingetragenen South Stream AG betriebene Mega-Projekt soll bis zu 25 Milliarden Euro kosten. Die italienische Saipem, eine Tochter des Staatskonzerns Eni, wurde mit der Erstellung einer Feasibility-Studie beauftragt, die allerdings noch nicht vorliegt. Premierminister Putin, der sich für die Pipeline persönlich in die Bresche wirft, hat nunmehr auch Österreich an Bord geholt. Mit Italien, Griechenland, Bulgarien, Serbien, Ungarn und Slowenien hatte Russland bereits bilaterale Abkommen geschlossen.

Wer wird am Ende indie Röhre schauen?

Aber ausgerechnet die rot-weiß-rote OMV, seit 1968 Erdgasabnehmer der Russen, setzt gemeinsam mit fünf Partnern auf ein Konkurrenzprojekt, das Westeuropa zusätzliche Gasquellen am Kaspischen Meer erschließen soll. Die 3300 Kilometer lange Nabucco-Pipeline, die schon seit acht Jahren vorbereitet wird, soll ab Ende 2014 Erdgas nicht-russischer Provenienz aus der Türkei via Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Österreich transportieren.

Die Türken sind in der angenehmen Lage, 72 Prozent der nachgewiesenen weltweiten Öl- und Gas-Reserven praktisch vor ihrer Haustür zu haben. Damit könnte die Nabucco-Pipeline zu einem idealen Korridor zwischen Gaslieferanten wie Aserbaidschan, Turkmenistan, Usbekistan, Irak, dem politisch heiklen Iran sowie dem arabischen Raum einerseits und der Europäischen Union anderseits werden.

Allerdings hat die Wirtschaftskrise die früheren Prognosen, denen zufolge der Gas-Verbrauch im EU-Raum und der Türkei im Zeitraum 2009 bis 2015 von 600 auf 700 Milliarden Kubikmeter steigen werde, über den Haufen geworfen: Derzeit rechnen die Experten nur noch mit einem Anstieg auf 656 Milliarden Kubikmeter, womit die jährlichen Zuwachsraten nicht mehr 17 bis 30, sondern nur noch acht (2010) bis 22 Prozent (2015) betragen würden.

Dennoch wird das Vorhaben, das die Abhängigkeit der EU-Staaten vom Toplieferanten Russland reduzieren würde, in Brüssel heiß geliebt. Laut Energiekommissar Günther Oettinger sei es "besonders förderungswürdig". Die Kommission sagte bislang aber bloß eine relativ bescheidene Subvention von 200 Millionen zu. Nach derzeitigen Schätzungen werden die Kosten alles in allem rund acht Milliarden Euro betragen. Sofern die Pipeline tatsächlich gebaut wird, was die Gesellschafter Ende dieses Jahres entscheiden wollen, könnte die jährliche Kapazität im Endausbau - also 2018 - rund 31 Milliarden Kubikmeter Gas betragen.

Im Wiener Florido Tower, wo die Nabucco Gas Pipeline International GmbH residiert, wird jedenfalls auf Hochtouren gearbeitet. Die vom früheren OMV-Prokuristen Reinhard Mitschek geleitete Firma, die derzeit mit 35 Mitarbeitern aus allen Partnerländern bestückt ist, hat die Planungsarbeiten ebenso abgeschlossen wie ihre fünf nationalen Tochterfirmen. Die britische Firma Penspen koordiniert seit Anfang 2008 die technische Detailplanung. Den österreichischen Teil der Pipeline hat das Tiroler Unternehmen ILF Beratende Ingenieure geplant.

Das international gefragte Planungsunternehmen beschäftigt in Innsbruck und München sowie in weltweit mehr als 30 Niederlassungen und Tochterfirmen 1600 Mitarbeiter und verfügt über reichlich einschlägige Erfahrungen: Die von Pius und Klaus Lässer geführte Topfirma war beispielsweise in den Bau der von Aserbaidschan ins türkische Ceyhan führenden BTC-Rohölpipeline ebenso involviert wie bei der Trans Balkan Pipeline von Bulgarien nach Griechenland.

Nabucco: Break-even bei halber Kapazität

Im Wiener Nabucco-Headquarter lässt man sich derzeit jedenfalls von diversen Rückschlägen nicht entmutigen. Die aktuelle Meldung, dass die Erschließung der aserbaidschanischen Gaslagerstätte Schach-Denis 2 auf 2017 verschoben wurde, dämpft den Elan ebenso wenig wie das Faktum, dass Turkmenistan große Mengen seiner künftigen Förderung vertraglich den Chinesen zugesichert habe.

Immer wieder geäußerte Zweifel, ob das Projekt gegen die russisch-italienische South Stream-Pipeline letztlich eine Chance haben werde und für die Investoren wirtschaftlich Sinn mache, werden in Wien nicht dramatisiert: Schließlich sei der Break-even schon bei rund 14 Milliarden Kubikmetern zu schaffen.

Dem jüngsten Vorschlag von Eni-Chef Paolo Scaroni, aus beiden Projekten eines zu machen, gewinnt man genauso wenig ab wie die Gazprom-Bosse. Nabucco-Sprecher Christian Dolezal: "Wir spekulieren nicht, und unsere Planungen sehen keine Zusammenlegung der Projekte vor. Wir konzentrieren uns vielmehr auf die erfolgreiche Umsetzung von Nabucco."

Die Finanzierung des Projekts, dessen Baubeginn für Ende 2011 geplant ist, sei bei einem 30-prozentigen Eigenkapitalanteil durchaus bewältigbar. Die bisherigen Kontakte mit der Europäischen Investitionsbank (EIB), der Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (European Bank for Reconstruction and Development, EBRD) und der zur Weltbank-Gruppe gehörenden International Finance Corporation (IFC) sind laut Nabucco-Chef Mitschek ermutigend gelaufen. Weiters könnten sich Credit Export Agencies an der Kreditvergabe beteiligen, private Geldinstitute - auch österreichische - zeigen ebenfalls Interesse.

Das derzeit laufende sogenannte Open Season-Verfahren werde schließlich die Antwort liefern, ob es genügend Interessenten gebe, die mit Nabucco Lieferverträge für 20 Jahre abzuschließen gedenken. Da der Baubeginn für Ende 2011 vorgesehen ist, drängt jedenfalls die Zeit: Seit voriger Woche werden daher potenzielle Auftragnehmer gesucht, die etwa die rund 200.000 benötigten Rohre aus zwei Millionen Tonnen Stahl oder 30 Kompressorstationen liefern können. Laut Dolezal hätten "auch österreichische Firmen Chancen", sich etwa beim Bau der Pipeline - der österreichische Teil soll 120 Millionen Euro kosten - oder als Zulieferer von Spezialteilen wie Ventilen Aufträge zu sichern.

In Nordeuropa rolltseit April der Rubel

Der österreichische Paradekonzern Voestalpine wird bei Nabucco allerdings nicht zum Zug kommen. Die Linzer Stahlkocher haben nämlich die gewünschten Bleche nicht im Produktionsprogramm, die bei der klassischen Landpipeline Verwendung finden. Dafür rechnet sich Walter Buttinger, Chef der Voestalpine Grobblech, beim "technisch anspruchsvolleren" South Stream-Projekt gute Chancen aus. Da die Russen am Gas-Hahn sitzen, sei zu erwarten, dass diese lange Leitung auf jeden Fall - wenn auch mit Verspätung - gebaut wird.

Für Buttinger sind die zahlreichen Pipeline-Bauten in aller Welt - "nach dem schwachen Jahr 2009 erholt sich diese Branche allmählich" - eine große Herausforderung. In jüngster Zeit war die Voest in Saudiarabien, aber auch beim zweiten großen Projekt der Russen - Nord Stream - erfolgreich. Erst im März bekamen die Linzer erneut einen Auftrag, diesmal über 70.000 Tonnen Blech. Alles in allem wurden beziehungsweise werden aus Österreich 180.000 Tonnen geliefert, die von der russischen Stahlfirma OMK zu Rohren verarbeitet werden.

Die über 1200 Kilometer lange Erdgas-Pipeline, die Russland und die EU durch die Ostsee verbindet, wird zwar kommerziell als äußerst riskant eingeschätzt - doch für die Auftragnehmer ist sie ein Glücksfall: Das von Putin im Teamwork mit dem deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder forcierte Offshore-Projekt kostet zumindest 7,4 Milliarden Euro. Die internationalen Ausschreibungen laufen bereits seit 2007.

Milliarden-Aufträge gingen etwa an den deutschen Röhrenhersteller Europipe, die italienische Saipem, die für die Trassenverlegung zuständig ist, oder die französische Eupec, die sich um die Betonummantelung der Leitungsrohre sowie die gesamten Logistikdienstleistungen kümmert.

Das deutsch-russische Vorhaben Nord Stream hat gegenüber den südlichen Projekten zumindest einen zeitlichen Vorsprung: Anfang April war Baubeginn, schon Ende 2011 soll das erste Erdgas fließen.

OMV tritt gegen Gazprom an

Nabucco: Die 2004 gegründete, mit 30 Millionen Euro Stammkapital ausgestattete Nabucco Gas Pipeline International GmbH in Wien gehört sechs Gesellschaftern zu gleichen Teilen: der OMV Gas & Power, der türkischen Staatsfirma Botas, der ungarischen MOL, der Bulgarian Energy Holding, der rumänischen Transgaz sowie der deutschen RWE Supply & Trading, die erst Anfang 2008 dazustieß. Das Unternehmen hat 100-prozentige Tochterfirma in Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Türkei, die in ihrem Land für die Umsetzung verantwortlich sind.

Die South Stream AG, im Jänner 2008 im Schweizer Kanton Zug registriert, befindet sich zu jeweils 50 Prozent im Besitz der russischen Gazprom und der italienischen Eni. Ihr Grundkapital beträgt 100.000 Franken. Laut Ankündigung vom November 2009 soll die französische EDF-Gruppe 10 Prozent der Eni-Anteile übernehmen. Beim Bau der Pipeline holt Gazprom in allen beteiligten Ländern einen Partner an Bord, darunter Bulgargaz (Bulgarien), Srbijagas (Serbien) und die staatliche Bank MFB (Ungarn).

Die Nord Stream AG, ebenfalls im Schweizer Handelsregister eingetragen, ist ein internationales Joint Venture für die Planung, den Bau und den Betrieb der Ostsee-Pipeline. Die russische Gazprom hält 51 Prozent der Anteile, E.ON Ruhrgas und Wintershall besitzen jeweils 20 Prozent und die Nederlandse Gasunie ist mit neun Prozent dabei.