Zwei Milliarden Menschen, also rund jeder dritte Erdenbürger, leben in Gebieten mit Wassermangel. Noch gilt das vorrangig als regionales Problem, doch Experten sind davon überzeugt, dass Wassermangel zur globalen Herausforderung werden wird: Im Jahr 2025 werden vier Milliarden Menschen in Afrika, Amerika und Asien nicht mehr genügend Wasser zur Verfügung haben. Kein Wunder, dass Wissenschafter befürchten, künftige Kriege könnten sich um das "blaue Gold" drehen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Spätestens in 20 Jahren droht nach Einschätzung von UNO-Experten weltweit ein ernster Wassermangel. Der Bedarf an Frischwasser werde bis zum Jahr 2025 um 40 Prozent höher liegen als noch im Jahr 1995. Die absehbaren Folgen: Rückgang der Ökosysteme und Verlust der Biovielfalt - und neue, zusätzliche Gründe für die Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen.
Weltweit gibt es etwa 260 grenzüberschreitende Flüsse. 19 haben mehr als fünf Anrainerstaaten, der Amazonas, das Ganges-Brahmaputra-Meghna-Flusssystem, der Jordan, Euphrat, Tigris und Rhein haben zwischen fünf bis acht Anliegerstaaten; der Kongo, der Niger, der Nil und der Sambesi zwischen neun und elf, die Donau sogar 17. Gemeinsam stellen diese Flusssysteme 60 Prozent der weltweiten Süßwasserressourcen und sind Siedlungsgebiet von 40 Prozent der Weltbevölkerung. Da die Nutzung und wasserbauliche Maßnahmen am Oberlauf der Flüsse natürlich die Nutzungsmöglichkeiten stromabwärts beeinflussen, sind Konflikte zwischen den Staaten vorprogrammiert. Kein Wunder, dass mit Beginn der neunziger Jahre Wissenschafter damit begannen, "Wasserkriege" für das 21. Jahrhundert zu prognostizieren. Zurückliegende und aktuelle Auseinandersetzungen vor allem im Nahen Osten (siehe unten) untermauerten noch zusätzlich die Plausibilität dieser Vorhersagen: 2001 gab es weltweit mehr als 250 Konflikte, die auf Wassermangel beruhen. Hinzu kommt, dass sich Staudämme, Pipelines, Aufbereitungsanlagen und Leitungsnetze gut als Ziele von Terroranschlägen eignen. Allerdings: Bisher gab es noch keinen Krieg, der ausschließlich des Wassers wegen geführt wurde.
Wasserknappheit in einer Region erhöht jedoch nicht nur das Konflikpotenzial, sondern kann auch das Gefühl gegenseitiger Abhängigkeit und die Notwendigkeit für Kooperation verstärken. Schließlich wären Wasserkriege nur dann erfolgreich zu führen, wenn das gegnerische Gebiet nicht nur besetzt, sondern auch gleichzeitig entvölkert würde - die Kosten eines solchen Vorgehens - inklusive des Risikos internationaler Sanktionen - würden daher rasch die erwarteten Vorteile übertreffen.
Benutzen Staaten dieselbe Wasserquelle bzw. denselben Zugang zu Wasserpipelines, so lassen sich oft gemeinsame Interessen ableiten. Wasserkriege in der Euphrat-Tigris Region sind deshalb eher unwahrscheinlich, weil die Türkei als Oberlaufstaat die Zustimmung der arabischen Nachbarstaaten Irak und Syrien benötigt, um Wasser via Pipelines nach Saudi Arabien oder Israel verkaufen zu können - dennoch empfinden Bagdad und Damaskus den Bau von 21 Stauseen in Ostanatolien bis 2010 als große Bedrohung. Rechtsverbindliche Abkommen über die Nutzung von Wasserressourcen werden daher in der Regel von allen Seiten respektiert.
Neben völkerrechtlichen oder zwischenstaatlichen Vereinbarungen sind technische Lösungen ein wesentliches Element zur Vermeidung einer Konflikteskalation um die Nutzung des "blauen Goldes". Sie sind aber in hohem Maß vom Entwicklungsstand eines Staates abhängig. Der Maßnahmenkatalog umfasst z. B. Eingriffe in das Abflussregime wie Dammbauten oder Reservoirs, Maßnahmen gegen Wasserverschmutzung und -verschwendung wie Optimirung der Leitungsnetze, Wiederaufbereitung und Entsalzung, Wasserimport und Einsatz moderner Techniken zum Wassersparen wie etwa die Tropfenbewässerung.