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Zwei Millionen Wiener bis 2022

Von Werner Reisinger

Politik

Statistik Austria: Zuwanderung sichert zumindest mittelfristig das Erwerbspotenzial in Österreich.


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Wien. Allen politischen Kontroversen zum Trotz: Österreich ist und bleibt ein Einwanderungsland. Diese von vielen heftig kritisierte Tatsache zeigte sich am Dienstag bei der Präsentation der Bevölkerungsprognose 2016-2080 der Statistik Austria. Für die aktuelle Prognose haben die Statistiker den Untersuchungshorizont bis 2080 ausgeweitet, mehr als 90 Prozent der heute Geborenen werden dann noch am Leben sein.

Mag auch ein beträchtlicher Teil der Österreicher Einwanderung ablehnen: Ohne sie würde das Erwerbspotenzial erheblich sinken, sagt Konrad Pesendorfer, Generaldirektor der Statistik Austria. Die aktuell starke Zuwanderung verschiebt den bisher erwarteten Bevölkerungsrückgang um einige Jahre in die Zukunft.

Gehörten 2015 noch 5,34 Millionen zur Bevölkerungsgruppe im erwerbsfähigen Alter (20 bis 65 Jahre), so werden es in sechs Jahren, 2022, 5,57 Millionen sein - das würde einen Anstieg um vier Prozent bedeuten. Vor allem der Osten Österreichs wird vom Bevölkerungswachstum betroffen sein: Zur Jahreswende 2022/23 wird Wien die Zwei-Millionen-Grenze überschreiten und dann wieder annähernd so viele Einwohner haben wie 1910, als noch die Habsburger regierten. Schon jetzt wurde jeder dritte Einwohner Wiens im Ausland geboren, 2040 werden es zwei von fünf sein. Auch Niederösterreich und das Burgenland werden überdurchschnittlich wachsen, Kärnten hingegen, das schon in der Vergangenheit einen Bevölkerungsrückgang erlebte und das aktuell leicht wächst, wird in Zukunft erneut schrumpfen. Der Prognose der Statistik Austria zufolge wird Salzburg 2021 Kärnten einwohnermäßig überholen und es als sechstgrößtes Bundesland ablösen.

Zumindest mittelfristig werden die Einwanderung und die dadurch zu erwartende Steigerung des Erwerbspotenzials die Sicherheit des Pensionssystems gewährleisten, prognostizieren die Demografen. Allerdings nur mittelfristig: Mit den Babyboomern der 1960er Jahre werden nach 2022 wieder mehr Personen in Pension gehen, als Jugendliche aus der Ausbildung oder Zugewanderte zur Gruppe der Erwerbstätigen hinzukommen. Unsere Gesellschaft wird weiter altern.

EU Staaten liegen vorne

Auch werden die Einwanderer, wenn sie älter geworden sind, ebenfalls Ansprüche auf Pensionsleistungen erworben haben, erklärt Pesendorfer. Interessant ist ein Blick auf die Verweildauer der Einwanderer, aufgeschlüsselt nach deren Staatsangehörigkeit: Von den Afghanen blieben im Untersuchungszeitrum 2006 bis 2010 83,5 Prozent mindestens fünf Jahre in Österreich, gefolgt von den Türken (70 Prozent) und Bosnien-Herzegowina (66 Prozent). Am kürzesten blieben US-Bürger und Iraner in Österreich: Nur eine von fünf Personen dieser Staatsangehörigkeit blieb länger als fünf Jahre im Land.

Rund 146.000 Personen sind im Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2015 nach Österreich zugewandert, der Großteil von ihnen stammt aus EU-Staaten, nämlich 55 Prozent. Zuwanderung aus EWR-Staaten wie der Schweiz spielt quantitativ eine recht geringe Rolle (ein Prozent). Die allgemeine Wahrnehmung mancher Österreicher und die statistische Faktenlage dürften vor allem bei den Zuwanderern aus der Türkei auseinanderklaffen: Diese machen nur drei Prozent der 2009 bis 2016 Zugewanderten aus (4000). Aus anderen Drittstaaten zogen 19.000 Personen nach Österreich. Dass 28 Prozent der Zuwanderer im untersuchten Zeitraum aus dem Irak, Syrien oder Afghanistan stammen, liegt vor allem an der Flüchtlingsbewegung 2015.

Überraschend findet Statistik-Austria-Direktor Pesendorfer außerdem, dass die Zuwanderung - zumindest nach den vorliegenden Daten des Amtes - langfristig wieder zurückgehen wird. Ereignisse wie der Sommer 2015 aber seien in den Modellen nicht enthalten, weil sie nicht vorhersehbar seien, sagt Pesendorfer. Aufforderungen an die Politik will er aus den Ergebnissen der Prognose aber keine ableiten. Auch wenn die Zuwanderung für die heimische Wirtschaft wie auch für die Sozialsysteme wichtig sei: Es wäre fahrlässig, sich aktiv um Zuwanderer zu bemühen, wenn diese dann nicht durch entsprechende Maßnahmen und Bemühungen integriert würden. Mit dem Problem der alternden Gesellschaft aber sei Österreich in Europa nicht allein.