Aller Anfang ist schwer. Dessen eingedenk haben sich Faymann und Spindelegger in Brüssel wacker geschlagen.
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Okay, die CO2-Bilanz der österreichischen Delegation bei diesem europäischen Gipfeltreffen hat noch Optimierungspotenzial. Grundsätzlich hätte ja ein Flieger durchaus ausgereicht, Kanzler, Vize und Außenminister samt Entourage und interessierten Journalisten von Wien nach Brüssel zu befördern. Geworden sind es dann drei. Bundeskanzler Werner Faymann flog bereits am Mittwochabend zu seiner persönlichen Gipfelpremiere. Zwecks optimaler Vermarktung tat er das per Linienflug der maroden AUA. Die Bilder davon machten im ORF und in Fellners "Österreich" guten Eindruck.
Josef Pröll jettete in seiner Funktion als ÖVP-Obmann Donnerstagfrüh in die belgische Hauptstadt, um am Treffen der Europäischen Volkspartei teilzu-nehmen - und anschließend gleich wieder retour. Gesellschaft in dem kleinen Flieger leistete ihm Michael Spindelegger, der als neuer Außenminister ebenfalls seinem ersten Auftritt unter Europas Großen entgegenfieberte. Und dann gab es ja auch noch eine Handvoll Journalisten, denen der erste Auftritt der neuen Regierungsspitze auf dem Brüsseler Parkett ebenfalls eine Reise wert war. Ein eigenes Flugzeug für die vierte Macht kann kaum als unangemessen bezeichnet werden.
Der Kanzler selbst unterzog sich einem ambitionierten Programm: Am Mittwoch Abendessen mit Österreichs EU-Botschafter Hans-Dietmar Schweisgut und seinem Vize Walter Grahammer. Donnerstagvormittag Antrittsbesuche des neuen Kanzlers bei Jose Manuel Barroso, dem Präsidenten der EU-Kommission, bei Benita Ferrero-Waldner, Österreichs Beitrag in diesem Gremium, sowie ein Treffen mit den 18 österreichischen Mandataren im EU-Parlament.
Der Mittagslunch wurde weitgehend im Stehen eingenommen: Gemeinsam mit Spindelegger stand der Kanzler den heimischen Medienvertretern Rede und Antwort. Von Stress und Anspannung war bei beiden zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu spüren. Im lockeren Plauderton erzählten beide von ihren ersten Brüsseler Eindrücken.
Um 15 Uhr war es dann endlich so weit: Nicolas Sarkozy, Frankreichs hyperaktiver Staats- und aktueller EU-Ratspräsident, begrüßte die nach und nach eintreffenden Regierungschefs und Chefdiplomaten geradezu vor Tatendrang berstend und mit ausgiebigem Schulterklopfen. Die beiden Neuen aus l'Autriche wurden mit freundlichem Handschlag im erlauchten Kreis Willkommen geheißen.
Nach einer ersten Verhandlungsrunde nahmen die Damen und Herren zum festlichen Abendessen Platz, bei dem traditionell das Feilschen um eine Einigung bis weit in die Abendstunden hinein weitergeht. Schließlich steht nach wie vor die Drohung Sarkozys im Raum, im Falle eines Scheiterns des Gipfels einfach ein zusätzliches Gipfeltreffen einzuberufen - und zwar mitten in den Weihnachtsferien. Unter hartgesottenen EU-Beobachtern gilt das als ultimatives Druckmittel, renitente Verhandler doch noch zu einem Konsens zu zwingen. Ganz wie früher in der Schule eben.
Wer nun glaubt, nach dem üppigen Abendessen hätte die Pflicht mit Österreichs wackeren Gipfelstürmern ein Einsehen und der Tag ein Ende, irrt. Denn es gehört zu den guten - und wohl nur deshalb - streng befolgten Sitten europäischer Gipfeltreffen, dass nach dem Diner, gegen Mitternacht, wiederum die Journalisten an der Reihe sind, die neuesten News aus erster Hand zu erfahren. Endgültiger Ausklang an der Bar nicht ausgeschlossen.
Was noch aus Brüssel zu erwähnen wäre: Die wirklich wichtigen Entscheidungen fallen gemeinhin erst heute, Freitag. Ach ja, eine Handvoll Al-Kaida-Terroristen wurde auch noch festgenommen. Dass sie es auf die beiden Österreicher abgesehen hätten, kann nicht behauptet werden.
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