Staatsbürgerschafts-Affäre um zwei Russen endet mit vier Freisprüchen.
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Wien. Was kostet die Welt? Oder zumindest eine österreichische Staatsbürgerschaft? Es war auch diese Frage, um die es im Prozess gegen den ehemaligen Referenten von Jörg Haider, Franz Koloini, sowie gegen zwei einst russische, jetzt österreichische Geschäftsleute und deren Anwalt ging. Und am Ende blieb diese Frage als nur teilweise beantwortet übrig. In den Hauptfragen jedoch, ob sich die Russen der Bestechung und Koloini der Geldwäsche schuldig gemacht haben entschied Richterin Stefanie Öner wie es ihre Kollegin beim ersten Anlauf im Oktober 2011 getan hatte: Sie sprach alle Angeklagten frei.
Die Urteilsbegründung war dann auch sehr eindeutig, ließ bei der Richterin weder Zweifel erkennen, noch war bei ihr nur ein Hauch von Kritik am Geschehenen, an Gebarungen und gewissen Usancen beim Verleih von Staatsbürgerschaften auf dem Expressweg zu vernehmen: "Es gab keine Anhaltspunkte für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts", sagte Öner. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Staatsanwalt könnte berufen.
Nachdem das Oberlandesgericht den ersten Freispruch aufgehoben hatte, hat diese Affäre nun ein zweites Ende. Eine Affäre, an deren Beginn zwei reiche Russen, ein talentierter Rennfahrer, eine kriselnde Bezirkshauptstadt und ein sonnenköniglich herrschender Landeshauptmann gestanden waren. Heute sind die Russen Österreicher, der Pilot Patrick Friesacher hatte immerhin ein paar Runden in der Formel 1 gedreht, St. Veit hat ein "Blumenhotel" und die Gebarungen des Landes Kärnten unter Haider waren nicht nur in diesem Prozess ein Thema.
Manfred Ainedter, Rechtsanwalt der beiden angeklagten Geschäftsmänner, wies in seinem Schlussplädoyer auf einen in dieser Causa wesentlichen Begriff hin: "Interessenslagen". Denn solche "Interessenslagen" hatten alle Beteiligten, Jörg Haider war es, der diese zusammenführte. Die Russen stiegen mit zwei Millionen Euro in das geplante Projekt Blumenhotel ein und überwiesen auf Vermittlung Haiders eine ähnliche Summe auf ein Hypo-Konto, eine Art Geschenk an Kärnten, womit Haider Friesachers kurze Formel-1-Karriere bezahlte.
Haiders Brief an Schüssel
Haider setzte sich auch nachweislich für die Verleihung der Staatsbürgerschaft an die zwei Geschäftsleute ein, im allerletzten Ministerrat unter Schwarz-Orange im Jänner 2007 ging sie dann, spät aber doch, durch. Es war zumindest auffällig, dass dieses Anliegen bei der Regierung offenbar weit weniger Priorität genoss als bei Haider. Zwar wurde der Antrag für den Ministerrat immer wieder vorbereitet, aber das Wirtschaftsministerium unter Martin Bartenstein sprach lediglich eine Unterstützung einer Einbürgerung aus, jedoch keine klare Empfehlung. Doch diese war für das Innenministerium notwendig, und im Jänner 2007 kam sie auch - nicht zuletzt auf Urgenz des Innenministeriums selbst, das nach dem überraschenden Tod von Liese Prokop vom damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel übernommen worden war.
In einem Schreiben von Haider an Schüssel verweist der Landeshauptmann auf eine bereits erfolgte Zusage von Prokop, ihr damaliger Kabinettschef Philipp Ita hat diese jedoch weder "wahrgenommen", wie er im Zeugenstand sagte, "noch kann ich mir das vorstellen, es wäre gegen alles gewesen, wofür die Ministerin gestanden ist". Richterin Öner hatte allerdings auch in diesem Fall "keinen Anhaltspunkt einer pflichtwidrigen Intervention" von Haider erkannt.
Warum auf einmal eine sehr positive Rückmeldung aus dem Wirtschaftsministerium kam, warum der Akt, der eineinhalb Jahre im Innenministerium herumlag, im letzten Moment doch noch den Ministerrat erreichte, wurde im Prozess nicht geklärt. Die Staatsanwaltschaft hatte auf die Ladung von Bartenstein und Schüssel verzichtet, man hatte diese den beiden Ex-Ministern "nicht zumuten wollen", wie Staatsanwalt Eberhard Pieber erklärte.
Die am letzten Verhandlungstag befragten Zeugen, ein Landesbediensteter sowie Beamte des Innenministeriums, hatten auch keine Besonderheiten beim Antrag der beiden Russen erkannt: "Nicht unüblich" sei der gesamte Ablauf gewesen, nicht unüblich für eine Einbürgerung nach Paragraf 10.6, aus "besonderem Interesse" für die Republik Österreich.
Pass für Investitionen
Diese "10.6er", wie sie heißen, betreffen Sportler, Künstler und Wissenschafter, sie werden bevorzugt behandelt, müssen nicht zehn Jahre in Österreich gelebt haben, um einen Pass zu erhalten, ein einstimmiger Beschluss im Ministerrat reicht. Und auch Geschäftsleute haben diese Chance, wie im Fall von Artem B. und Alexei B.
Für Geschäftsleute gibt es eine Agentur, die Austrian Business Agency, kurz ABA. Seit 1982 gibt es diese 100-prozentige Tochter des Wirtschaftsministeriums, die nach eigenen Angaben allein im Jahr 2010 fast 200 Unternehmen bei Ansiedlungen und Direktinvestitionen in Österreich beraten hat. 221 Millionen Euro sollen so ins Land geflossen sein. Verteidiger Ainedter sagt: "Die ABA macht nichts anderes, als solchen Menschen wie den beiden Angeklagten die Staatsbürgerschaft zu verschaffen."
Wie der ehemalige Generalsekretär der ABA, Franz Borkovec, im Zeugenstand aussagte, hätten allein die Investitionen in das Blumenhotel in St. Veit die Verleihung der Staatsbürgerschaft gerechtfertigt. Das Blumenhotel also, das könnte eine Antwort sein, was eine Staatsbürgerschaft kostet. Das Hotel, das 2008 eröffnete, war übrigens von Beginn weg chronisch unterbelegt und defizitär und musste vorübergehend sogar geschlossen werden.