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Zwei Retter im griechischen Drama

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Langen (CDU): IWF-Kredite allein reichen nicht aus. | SPD wirft Merkel innenpolitische Motive vor. | Modus der Einigung noch unklar. | Brüssel. Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück: Das Rätselraten über einen Notfallplan für Griechenland überschattet den heute, Donnerstag, beginnenden EU-Gipfel. Die Antwort auf die Schuldenprobleme kristallisierte sich im Vorfeld allerdings etwas deutlicher heraus als zuletzt.


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Schon Anfang der Woche hatte sich abgezeichnet, dass es im Falle einer tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit Griechenlands wohl auf einen kombinierten Ansatz herauslaufen wird. Kredite für die Griechen soll es offenbar sowohl von Euroländern als auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geben, wie die "Wiener Zeitung" berichtete.

Deutschland machte bis zuletzt noch einmal Stimmung für den IWF, dessen Einsatz sei EU-rechtlich die einzig mögliche Variante. Auf IWF-Linie soll auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy nach einem Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeschwenkt sein. Allerdings reiche der IWF-Einsatz wahrscheinlich nicht aus, erklärte der einflussreiche Vorsitzende der CDU-Gruppe im Europaparlament, Werner Langen. Nur höchstens zehn Milliarden Euro könne der IWF für Griechenland freischalten, den Rest könnten europäische Länder zu gleichen Bedingungen aufstocken. Der Finanzbedarf der Griechen für Umschuldungen liegt heuer noch bei rund 50 Milliarden Euro; etwa die Hälfte könnte am Finanzmarkt nicht mehr lukriert werden, wird geschätzt.

Verfassungsgericht als großes Fragezeichen

Die harte Haltung Berlins resultiert auch daraus, dass Merkel offenbar gegen jede Hilfestellung für ein Euroland eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe fürchtet. Der könnte das Verbot, für andere Euroländer zu haften oder für deren Schulden einzutreten strikter auslegen, als die juristischen Dienste in Brüssel. Die haben zumindest bilateralen Krediten zur Rettung Griechenlands grünes Licht gegeben.

Noch weiter ging der SPD-Finanzexperte im Europaparlament, Udo Bullmann: Merkel orientiere sich ausschließlich an einer "innenpolitischen Kampflage" vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen. Schließlich sind deutsche Steuermittel für Griechenland sehr unpopulär. Doch wenn es darum gehe, den Griechen Kredite zu marktüblichen Zinssätzen zu verschaffen, widerspreche das keineswegs den EU-Verträgen. Sogar die Kommission könne das Geld auf den Märkten besorgen wie bei den Nicht-Euroländern Ungarn und Lettland, meinte Bullmann.

Wie die Abstimmung unter den Euroländern genau ablaufen soll, blieb bis zuletzt unklar. So hatte Premier Jose Luis Zapatero vom amtierenden EU-Vorsitzland Spanien und Sarkozy ein Treffen der Eurogruppe auf Ebene der Staats- und Regierungschefs noch vor dem offiziellen Auftakt des Gipfels am Abend verlangt. Diese Wünsche würden wohl auf irgendeine Art und Weise berücksichtigt, hieß es aus dem Umfeld von EU-Ratspräsident Herman von Rompuy. Damit würde auch den wiederholten Aussagen Merkels entsprochen, die eine Entscheidung für das Treffen der Chefs selbst, des Europäischen Rats, ausgeschlossen hatte.

Als Muster könnte der EU-Gipfel vom Februar herangezogen werden: Auch damals stand Griechenland gar nicht auf der Tagesordnung, nach informellen Treffen vor Beginn der Veranstaltung verlas Van Rompuy die Einigung auf "entschlossene und koordinierte Schritte, um die finanzielle Stabilität in der gesamten Eurozone zu sichern, wenn das notwendig ist." Für eine ganz ähnliche Variante spricht, dass Van Rompuy und sein Büroleiter, der belgische Spitzendiplomat Frans van Daele, den Ruf als Experten der Geheimdiplomatie und Kompromissfindung hinter den Kulissen haben.

Washington könnte über IWF eingreifen

Wenig Freude hat allerdings weiterhin die EU-Kommission mit dem IWF, wie Wirtschaftskommissar Olli Rehn erneut betonte. Noch entschiedener dagegen wandten sich Vertreter der EZB, welche ihre Kompetenzen für die Währungspolitik der Eurozone gefährdet sehen. Doch Diplomaten beruhigen: Dass Washington über den Fonds tatsächlich der EZB ins Handwerk pfuscht, könne ausgeschlossen werden. Schließlich liege die Veto-Schwelle im IWF entsprechend dem Anteil der USA bei 17 Prozent. Die Eurozone verfüge aber über etwa 22 Prozent der Stimmrechte und könne daher jegliche Kreditbedingungen, die in die EZB-Kompetenz hineinreichten, ablehnen.