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Zwei Schritte vor, einen zurück beim EU-Fiskalpakt

Von Stefan Melichar

Wirtschaft

Europäische Zentralbank warnt eindringlich vor Aufweichung.


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Brüssel/Wien. "Europäisches Semester", "Euro-Plus-Pakt", "Six-Pack" - hinter all diesen wenig griffigen Bezeichnungen verbergen sich einzelne Versuche der Europäischen Union aus den vergangenen Monaten, ihre Mitglieder zu mehr Haushaltsdisziplin zu verpflichten. Dabei ist das Ende der Fahnenstange an wohlklingenden Reformschritten noch nicht erreicht - seit dem EU-Gipfel im Dezember wird nun über einen sogenannten "Fiskalpakt" debattiert. Und je länger darüber verhandelt wird, umso weniger bleibt vom geplanten großen Wurf, der ein für alle Mal die Investoren an den Finanzmärkten von der Haushaltsstabilität in der Eurozone überzeugen sollte.

Die jüngste Vertragsversion sei eine "substanzielle Verwässerung gegenüber früheren Entwürfen", schrieb Jörg Asmussen, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), laut Nachrichtenagentur DPA den Verhandlern. Die Änderungen würden klar dem Geist der ursprünglichen Vereinbarung für einen ambitionierten Fiskalpakt zuwiderlaufen.

Eine wesentliche konkrete Neuerung sollte die einer Begrenzung des jährlichen strukturellen Staatsdefizits bei maximal 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung sein. Asmussen stößt sich nun daran, dass zu viele Ausnahmen vorgesehen seien, bei denen diese Grenze überschritten werden dürfe. Das EZB-Direktoriumsmitglied spricht sich zudem dafür aus, dass die Einhaltung des Fiskalpaktes vom Europäischen Rechnungshof kontrolliert werden solle.

Frage der Glaubwürdigkeit

Am Donnerstagabend hatten sich die Unterhändler laut Nachrichtenagentur AFP auf einen Rahmenvertrag geeinigt, der jedoch die besonders strittigen Punkte ausspart - dazu zählt auch die Frage, welche Rolle Gemeinschaftsinstitutionen wie die EU-Kommission und der Europäische Gerichtshof bei der Umsetzung des Paktes spielen sollen.

Um rechtliche Probleme zu umgehen, da Großbritannien den Fiskalpakt als einziges EU-Land nicht unterzeichnen wird, könnte auf eine Einbeziehung der Kommission und des Gerichtshofs verzichtet werden - was die Sanktionsmechanismen, die der Vereinbarung Glaubwürdigkeit verleihen sollen, jedoch abschwächen würde. Darüber hinaus dürfte auch von der ursprünglichen Vorgabe abgewichen werden, dass die nationalen Schuldenbremsen in Verfassungsrang verankert werden müssen. Auch das wirft Fragen auf, inwieweit der Pakt als großer Wurf bezeichnet werden kann.

Auf dem Papier ist zuletzt beim Thema Haushaltsregeln in der EU einiges weitergegangen. Die große Frage bleibt aber immer die Durchsetzbarkeit von Sanktionen. Laut Agentur Reuters soll kommenden Donnerstag ein neuer Entwurf zum Fiskalpakt vorgelegt werden, der die noch offenen Punkte klärt. An diesem Tag trifft sich auch Bundeskanzler Werner Faymann mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel zu Beratungen in Berlin.