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Zwei Seiten der Familienmedaille

Von Martyna Czarnowska

Politik

Grundsätzliches zum "familienfreundlichen Österreich" stand gestern im Nationalrat auf der Tagesordnung. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer hatten dem Thema Grundsatzreden gewidmet. Während sie sich darauf konzentrierten, vor laufenden Fernsehkameras abermals die Vorteile des Kinderbetreuungsgeldes herauszustreichen, wollten SPÖ und besonders die Grünen den Familienbegriff ausgeweitet wissen.


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Doris Bures reichte es nach wenigen Minuten. "Ich halte nichts davon, bei diesem Thema eine Bierzeltatmosphäre einreißen zu lassen", stellte die SPÖ-Abgeordnete klar, als ihre Rede hinter der anschwellenden Geräuschkulisse des Plenums unterzugehen drohte.

Eine fast zweistündige Debatte war dem zuvorgegangen, bei der die Parteien nochmals ihre Standpunkte vor laufenden Fernsehkameras darlegen konnten. Bundeskanzler Schüssel betonte die Vorteile des Kindergeldes und äußerte die Hoffnung, dass sich Österreich nicht zuletzt mit dieser Maßnahme zu einem "Vorzeigeland in Richtung Kinder- und Familienfreundlichkeit" entwickeln werde. Immerhin stehe nun das Kind im Zentrum und "nicht ein abstrakter Versicherungsanspruch".

Wie wichtig der Bereich "Familie" sei, unterstrich auch Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer. Mit dem Kindergeld sei überdies ein "Mehr an Wahlfreiheit" für Frauen geschaffen worden, was mit der Erhöhung der Zuverdienstgrenze zu begründen sei. Der Tatsache, dass sich die Länder nicht an der Finanzierung des Kindergeldes beteiligen wollten, kann die Vizekanzlerin sogar Positives abgewinnen. Auf diese Weise könnten sie sich Geldmittel ersparen, die nun für einen besseren Ausbau der Kinderbetreuungsplätze verwendet werden könnten.

Mangelndes Verständnis für diese "Errungenschaften der Regierung" ortete FPÖ-Generalsekretärin Theresia Zierler seitens der Sozialdemokraten. Immerhin könnten nun nun auch Hausfrauen und Studentinnen das Kindergeld beziehen, dessen Summe höher sei als beim bisherigen Karenzgeld. Und danach geriet Zierler ein wenig ins Schwärmen: Denn aus der "familienpolitischen Vision" der FPÖ sei eine "familienpolitische Realität" geworden.

Den Argumenten der Koalitionsparteien konnte die Opposition erwartungsgemäß nichts abgewinnen. SPÖ-Frauenvorsitzende und ehemalige Frauenministerin Barbara Prammer warf der Regierung vor, ein Familienbild aus dem 19. Jahrhundert weiterzutragen. "Sie reden von Eigenständigkeit und meinen Abhängigkeit", stellte sie Richtung ÖVP und FPÖ fest.

Einen weiteren Aspekt griff die stellvertretende Klubobfrau der Grünen, Madeleine Petrovic, auf. Ihrer Ansicht nach verschlechtere sich mit dem Kinderbetreuungsgeld die Rechtslage für manche Betroffene, beispielsweise AusländerInnen. Doch die "versteckten arbeitsrechtlichen Diskriminierungen" scheinen keine unbeabsichtigte Nebenwirkung zu sein, meinte sie in Anspielung auf die Debatte um eine Senkung der Zuwanderungsquote bei der Familienzusammenführung. "Das ist für einen demokratischen Staat eine Schande", schloss Petrovic.

"Revolutionäres" Kindergeld

Auf das Thema Familiennachzug wollte die Regierungsspitze im Parlament jedoch nicht eingehen. Lieber verwies Sozialminister Herbert Haupt darauf, wie "revolutionär" das Kindergeld "von Inhalt und Wirkung" sei.

Mit den neun Milliarden Schilling mehr am Anfang und 16 Milliarden Schilling mehr im Vollausbau werde die Gefahr der Armut zurückgedrängt und der Kinderwunsch umsetzbar. Dass letzterer nicht am Finanziellen scheitern sollte, hielt auch ÖVP-Abgeordneter Michael Spindelegger für wichtig zu betonen.

"Reaktionäres" Familienbild

Eine andere Revolution wünschte sich hingegen der Grüne Sozialsprecher Karl Öllinger. Denn seiner Ansicht nach kreisen die Debatten von vornherein um einen veralteten Familienbegriff. Die Reduktion auf "Vater - Mutter - Kind" sei zum einen ein gesellschaftliches Problem, da sie mittlerweile an der Realität vorbeigehe. Zum anderen sei sie diskriminierend, da sie andere Lebensformen nicht berücksichtige - beispielsweise gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Ein moderneres Familienbild und eine offenere Gesellschaft wäre die Alternative.