)
"Mit Gottes Hilfe werde ich die nächste Regierung führen", verkündete Israels Oppositionschef Benjamin Netanyahu am Ende eines Wahltages, der seiner Likud-Partei zwar saftige Zugewinne gebracht, den Sprung auf Platz Eins aber knapp verwehrt hatte. Netanyahu wird sich bei seinem Siegesgefühl sicher auch gefragt haben, wo der klare Vorsprung geblieben ist, den alle Umfragen noch vor einigen Wochen seiner Partei prophezeit haben.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Im Finale des Wahlkampfes - nicht zuletzt im Schatten der Gaza-Invasion - hat sich das Duell zwischen Netanyahu und Kadima-Chefin Tzipi Livni zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zugespitzt, bei dem die jeweiligen Koalitionspartner Federn lassen mussten. Der Zugewinn der rechtsradikalen Partei "Israel unser Haus" von Avigdor Lieberman fiel wesentlich knapper aus als vorausgesagt, die rechtsstehenden religiösen Parteien mussten Einbußen hinnehmen und auf der Linken fuhren die Arbeitspartei von Ehud Barak und Meretz eine empfindliche Niederlage ein, weil viele ihrer Anhänger einen Vorsprung der Kadima vor Likud sicherstellen wollten.
Die Knesset-Wahl vom Dienstag hat einen deutlichen Rechtsruck gebracht. Avigdor Lieberman und/oder die orthodoxe Shas-Partei haben es in der Hand, wer künftiger Regierungschef wird.
Benjamin Netanyahu, den drei Viertel der Israelis in Umfragen vor der Wahl als neuen Regierungschef erwarteten - wobei ihn aber nur 30 Prozent wirklich in dieser Position sehen wollten -, hat vorderhand die besseren Chancen, auch wenn Tzipi Livni am Wahltag die Nase voran hatte. Die Regierungsbildung wird aber auch für Netanyahu kein Honiglecken werden. Noch kurz vor den Wahlen hat der spirituelle Führer der Shas-Partei, Großrabbiner Ovadia Yosef, Avigdor Lieberman, dessen Mannschaft für eine Rechtskoalition unerlässlich ist, quasi mit dem Satan gleichgesetzt. Lieberman wiederum hat so seine Schwierigkeiten mit den religiösen Parteien, tritt er doch für die Einführung der Zivilehe und die Einberufung von Religionsschülern in die Armee ein - für die religiösen Parteien bisher zwei Tabuthemen.
Es ist zu erwarten, dass sich alle potenziellen Koalitionspartner möglichst teuer verkaufen werden. Die Religiösen werden wie schon in der Vergangenheit versuchen, für ihre Klientel möglichst viel herauszuholen, egal ob der nächste Premier Netanyahu oder Livni heißt.
Livni ist schon im Herbst wegen der Forderungen der Shas-Partei mit der Regierungsbildung gescheitert. Ihr bisheriger Koalitionspartner Ehud Barak hat nach seinem schwachen Abschneiden schon angekündigt, in die Opposition gehen zu wollen. Und auf die elf Stimmen der drei arabischen Parteien möchte die Kadima-Chefin auch nicht angewiesen sein.
Die Regierungsbildung in Jerusalem steht - wer immer damit von Präsident Shimon Peres betraut wird - unter ungünstigen Vorzeichen. Für die schon bisher stockend verlaufenden Friedensgespräche ist das alles das denkbar schlechteste Omen.