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Zweierlei Föderalismus

Von Ralf Beste

Gastkommentare
Ralf Beste ist seit September 2019 deutscher Botschafter in Österreich. Davor war der studierte Historiker als Journalist tätig, unter anderem für die "Berliner Zeitung" und den "Spiegel".
© Deutsche Botschaft Wien

Die Bundesstaaten Österreich und Deutschland staunen wechselseitig, wie zentralistisch der eine und wie "verländert" der andere sein kann.


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Zu den ersten Fakten über Österreich, die ich mir eingeprägt habe, zählten die Länder. Neun Namen kann man einerseits nicht an einer Hand abzählen, andererseits sind es nicht so viele wie die 16 in Deutschland oder gar 50 in den USA. Dort wäre es lässlich, wenn man Montana oder das Saarland vergisst. Über das Wesen des hiesigen Föderalismus denke ich seither viel nach.

Mittlerweile habe ich alle Länder zumindest betreten, viele weisen eine Geschichte auf, die vor den Habsburgern begann. Und sie heißen auch noch so wie vor über 500 Jahren, ungerührt von Dreißigjährigem Krieg, Wiener Kongress und Potsdamer Abkommen. Über so viel Kontinuität kann nur staunen, wer in einem Bindestrichland wie Nordrhein-Westfalen aufgewachsen ist. Kombinationen wie Tirol-Vorarlberg oder Salzburg-Steiermark wären hierzulande dagegen schwer vorstellbar.

Ich fand bald noch mehr Unterschiede, die mich durchaus überrascht haben. Anders als in Deutschland ziehen hier die Länder nicht selbst die Steuern ein, sondern bekommen das Haushaltsgeld aus Wien. Dorthin fahren Landeshauptleute wiederum nach ihrer Wahl, um vom Bundespräsidenten angelobt zu werden. Dass Hamburgs Erster Bürgermeister oder ein bayerischer Ministerpräsident zum Treuegelöbnis nach Berlin reist, kann ich mir schwer vorstellen. Der österreichische Föderalismus schien mir auf den zweiten Blick doch gemäßigter.

In der Corona-Krise habe ich im Schnelldurchgang erlebt, wie sich das auswirkte. Für einen Bundesstaat agierte Österreich erstaunlich zentralistisch. In Deutschland dagegen zeigte sich, wie viele Kompetenzen doch bei den Ländern lagen: Schule und Gesundheit, Polizei und Justiz. Das wiederum verblüffte auch manche Österreicher. Die "Kleine Zeitung" schrieb, Deutschland wirke "verländert". Das war wohl nicht als Kompliment gemeint.

Ich finde, Deutschland ist auch wegen seines ausgeprägten Föderalismus gut durch die Krise gekommen. Natürlich gab es Klagen über den vermeintlichen Flickenteppich, aber wenn die Lage am Ostseestrand anders ist als am Alpenrand, sind vielleicht dezentrale Lösungen nicht die schlechtesten. Der Streit um den richtigen Weg mag mühsam gewesen sein, hat aber für Akzeptanz gesorgt.

Über die feinen Unterschiede habe ich somit wieder was gelernt: Österreich hat zwar auch eine Bundesregierung, ein Bundeskriminalamt und eine Bundesliga. Aber es ist keine Bundesrepublik wie unsere. Das steht übrigens an der Grenze: "Republik Österreich".