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Zweiklassen-Europa ist zu verhindern

Von Michael Schmölzer

Politik

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ließ im Vorfeld des Europaratstreffens in Feira keinen Zweifel daran, dass auch nach einer EU-Erweiterung jedes Land einen Kommissar stellen muss. Im Zuge eines Pressegespräches zum anstehenden Treffen des Europäischen Rates in Portugal am 19. und 20. Juni erläuterten der Kanzler und Außenministerin Benita Ferrero-Waldner die zu behandelnden Themen des Gipfels.


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Priorität räumte der Bundeskanzler der "heiklen" Frage der Institutionenreform im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung ein. Österreich stehe ganz klar auf dem Standpunkt, dass weiterhin jedes Mitgliedsland Sitz und Simme in jeder EU-Institution, auch in der Kommission haben müsse. Der Schaffung von "Junior-Kommissären" könne er nicht zustimmen, meinte der Kanzler.

Dem von manchen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vertretenen Argument, dass weniger EU-Kommissäre Effizienzvorteile mit sich brächten, konnte Schüssel nichts abgewinnen: Er verweise in diesem Zusammenhang auf die manchmal doch recht beachtliche Größe nationaler europäischer Regierungen.

In den Fragen der Zusammensetzung und der Größe des Europäischen Parlaments, sowie der Ausweitung des Mehrheitsprinzips innerhalb der EU sei Österreich prinzipiell "offen". Allerdings müsste darauf geachtet werden, dass eine Verkleinerung des Parlaments nicht zu Lasten der kleineren Mitgliedsländer gehe. Würde nämlich eine gewisse Grenze unterschritten, könnten Länder wie Österreich bis zu fünfzig Prozent ihrer Sitze verlieren, während die Einbußen für größere Staaten deutlich darunter lägen, so der Kanzler. Österreich werde sich in Feira auch dafür aussprechen, dass kleineren Parteien der Zugang in das Europäische Parlament erleichtert werde.

Der Diskussion über die Ausweitung des Mehrheitsprinzips bei EU-Beschlüssen stehe Österreich prinzipiell positiv gegenüber. Lediglich in manchen Bereichen, wie in einigen Angelegenheiten der Verkehrspolitik, der Raumordnung und der Immigration sei man "nicht beweglich". In Sachen Grundrechtscharta und EU-Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention betonte Schüssel Österreichs vorbehaltloses Eintreten für einen effektiven Menschenrechtsschutz weltweit und die Unterstützung eines solchen Projekts auf EU-Ebene seitens der Österreichischen Bundesregierung.

Sollte ein Mitgliedsstaat der Missachtung der Grundrechtscharta angeklagt werden, müsste das Prinzip des Dialogs zum Tragen kommen, meinte Schüssel in Anspielung auf das Verhalten der EU-14 gegenüber Österreich in der Sanktionsfrage. Dem Beschuldigten sollte auf alle Fälle Raum für Stellungnahme zugestanden werden. Danach könnten eingehende Diskussionen etwaigen Maßnahmen vorausgehen. Sanktionen sollten sich am Prinzip der Verhältnismäßigkeit orientieren und jederzeit beim Europäischen Gerichtshof anfechtbar sein, meinte Schüssel.

Aussenministerin Benita Ferrero-Waldner nahm zu den sicherheitspolitischen Agenden des bevorstehenden Treffens Stellung. Dabei werde es um einen weiteren Ausbau der Beziehungen der EU zur NATO gehen. Wichtig sei die Herstellung eines gegenseitigen Informationsaustausches. Duplizierungen auf institutioneller Ebene, wie Frankreich dies wünsche, sollte es nach Ansicht der Aussenministerin nicht geben. Nach Möglichkeit könnte die EU auf schon bestehende NATO-Einrichtungen zurückgreifen.