16 der 100 neuen Modelle haben Alternativantrieb. | VW sieht 2015 drei Prozent E-Autos. | Genf/Wien. Die Veranstalter waren überrascht: Alle sind da, auch schon Totgesagte wie Saab. Bei den großen Automessen fehlten in den vergangenen Jahren etliche Hersteller, für den 80. Automobil-Salon in Genf war im Vorfeld sogar über eine Absage laut nachgedacht worden. Jetzt aber meldet Genf übervolle Hallen. Nach einem schwierigen Autojahr will die Branche bei der ab heute, Donnerstag, fürs Publikum geöffneten Messe vor allem mit mittlerweile serienreifen Hybridmodellen Impulse geben. Bis zum 14. März werden von 205 Ausstellern aus 30 Ländern 700.000 Besucher erwartet - unter den gut 100 Welt- oder Europa-Premieren finden sich allein 16 Autos mit Alternativantrieben.
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Auch wenn während der beiden Presse- und Fachbesuchertage mancher schon "Hybrid, Elektro, Batterien - ich kann es nicht mehr hören" seufzte: Diesmal wird die Elektroblase nicht - wie schon einige Male zuvor - platzen, resümiert der "Spiegel". Die großen Hersteller machen ernst, der - kostenintensive - Wettbewerb um die zukunftsfähigste Modellpalette hat eine neue Stufe erreicht.
Europas größter Autobauer Volkswagen etwa, der zwar 2009 ebenfalls Umsatz und Gewinn einbüßte, aber mit Marktananteilsgewinnen weltweit aus der Krise herausfährt, scheute große Ansagen nicht. "VW ist der Autobauer, der Hybridfahrzeuge aus der Nische holt und das Elektroauto für alle in Großserie bringen wird", kündigte Konzernchef Martin Winterkorn an. Vorerst gibt es die großen Geländewagen des Konzerns - VW-Touareg und Porsche Cayenne, bald auch Audi Q5 - als Hybridvarianten. 2011 rollt eine Testflotte von Elektro-Golfs an, 2012 debütiert ein E-Jetta in den USA. 2013 schließlich wird laut Winterkorn das Schlüsseljahr: Dann soll es in Europa Hybridvarianten der Massenmodelle Golf und Passat geben sowie die Elektromobile E-Up, E-Golf und E-Jetta. 2015 sollen immerhin drei Prozent aller Volkswagen-Modelle elektrisch fahren.
Ähnliche Ankündigungen gab es zuvor auch schon von Renault/Nissan und PSA/Peugeot/Citroen, die vorerst - ebenso wie Ford - mit elektrisch betriebenen Kleinlieferwagen auf dem Markt sind.
Auch Mercedes hat ein Oberklassenmodell mit Hybridantrieb schon bei den Händlern, und BMW plant mit Hybridversionen der 7er-Reihe und des großen Geländewagens X6 weitere Autos mit Elektroantrieb. Mercedes entwickelt mit dem chinesischen Batteriepionier BYD einen Kleinwagen zunächst für den dortigen Markt, BMW kommt bald mit einem hybriden 5er und später mit einem City-Car.
General Motors setzt auf den Chevrolet Volt, der heuer noch in den USA und Ende 2011 als Opel Ampera in Europa bei den Händlern stehen soll: ein Elektroauto, bei dem ein kleiner Benzinmotor - aus dem Motorenwerk Wien-Aspern - als "Range Extender" den Generator lädt und die Reichweite damit auf über 500 Kilometer streckt. Opel-Chef Nick Reilly fuhr dieser Tage den Ampera eigenhändig von Rüsselsheim zur Palexpo-Halle nach Genf und befand danach: "Die Technik ist reif".
Downsizing geht weiter
Mehr als zehn Jahre nach dem Debüt des Hybrid-Pioniers Toyota Prius legen natürlich auch die Japaner nach: Toyota bringt auch den kleineren massenmarkttauglichen Auris als Hybrid. Honda, das mit einer billigeren Hybridvariante mit den Modellen Civic und Insight erfolgreich ist, bringt mit dem CR-Z erstmals einen Sportwagen, der Verbrennungs- und Elektromotor kombiniert, um Sprit zu sparen und den Schadstoffausstoß zu senken.
Insgesamt hält der sogenannte Downsizing-Trend in der Branche an: Statt großspuriger Autos mit starken Motoren kommt aus den Entwicklungsabteilungen ein immer breiteres Angebot kleinerer, pfiffiger Modelle - auch im nach wie vor sehr gefragten SUV-Sektor, wo der viertürige, auf Wunsch allradgetriebene Mini "Countryman" für ähnliches Furore sorgen dürfte wie zuvor der stark nachgefragte BMW X1.
Bei Audi etwa steht deshalb auch nicht die A8-Luxuslimousine mit Hybridantrieb im Zentrum der Messepräsentation, sondern der neue Kleinwagen A. Für dessen Debüt haben die Ingolstädter, die 2009 ebenfalls der Krise sehr gut trotzen konnten, eigens US-Popstar Justin Timberlake eingeflogen. Mit dem A1 versucht Audi zu wiederholen, was BMW mit dem Mini bereits beispielhaft gelungen ist: ein Modemobil zu kreieren, das praktisch nur noch als Ausdruck des Lebensstils wahrgenommen wird, kaum mehr als Gebrauchsgegenstand.
Begleitet wird der Marketingtrubel um Premieren der voraussichtlichen Bestseller Opel Meriva, Mini Countryman oder weitere Varianten des "Auto des Jahres"-Titelträgers VW-Polo von eher gedämpften Tönen aus den Vertriebsabteilungen. Während aktuelle Prognosen den weltweiten Autoabsatz in diesem Jahr auf rund 55 Millionen Fahrzeuge schätzen - fast fünf Prozent mehr als 2009 -, sieht es in Westeuropa eher nach schrumpfenden Märkten aus - besonders im größten Markt Deutschland. Nach dem Abwrack-Hype des vergangenen Jahres, der die Neuzulassungen auf 3,8 Millionen Stück trieb, rechnen Fachleute heuer dort mit lediglich 2,8 Millionen verkauften Neuwagen. Ist die Euphorie von Genf also nur lautes Pfeifen im finsteren Wald?