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Exzellenzinitiative bringt Elite-Unis auf Umwegen. | Skepsis: Name der Uni wird Tor öffnen oder verschließen. | Berlin. Die zweite Revolution nach der 68er-Bewegung macht sich an Deutschlands Hohen Schulen bemerkbar: Ging es damals um das Aufbrechen verkrusteter Machtstrukturen, so geht es heute um den - nationalen wie internationalen - Wettbewerb zwischen den Universitäten, den Tanz um das Goldene Kalb der Fördermittel.
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Paradoxerweise war es ein Sozialdemokrat - Gerhard Schröder -, der mit seiner Forderung nach Elite-Unis sowohl Parteigenossen als auch die um ihre Existenz bangenden Unis aufschreckte.
Klar ist, wer Elite-Unis kürt, wertet damit andere ab. Kritiker fürchteten deshalb von Beginn an den "Matthäus-Effekt" ("Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, was er hat.")
Gleichwohl beschlossen die Bildungsminister von Bund und Ländern im Sommer 2005 die "Exzellenzvereinbarung zur Förderung von Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen". Denn die Bildungs- und Kulturhoheit liegt in Deutschland bei den Bundesländern. Nach der jüngsten Föderalismusreform zieht sich der Bund sogar aus der bisherigen Rahmengesetzgebung zurück.
Zahlen darf er aber weiterhin. 1,9 Milliarden Euro werden für die "Exzellenzinitiative" bis 2011 locker gemacht, drei Viertel davon, also knapp eineinhalb Milliarden, aus Mitteln des Bundes. Damit sollen "Leuchttürme" der Wissenschaft entstehen, die auch international ausstrahlen.
Drei Komplexe
Bei der "Exzellenzinitiative" geht es um drei Komplexe: Etwa 40 Graduiertenschulen erhalten jährlich durchschnittlich je eine Million Euro. Mit Exzellenzclustern sollen an den Unis international sichtbare und konkurrenzfähige Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen etabliert werden, die mit außeruniversitären Einrichtungen, Fachhochschulen und der Wirtschaft kooperieren. Für jeden dieser etwa 30 geförderten Cluster stehen pro Jahr durchschnittlich 6,5 Millionen Euro zur Verfügung.
Mit der Förderung von "Zukunftskonzepten zum Ausbau universitärer Spitzenforschung" soll das Forschungsprofil von bis zu zehn ausgewählten Unis gestärkt werden. Voraussetzung ist, dass eine Hochschule mindestens einen Exzellenzcluster, eine Graduiertenschule sowie eine schlüssige Gesamtstrategie zu einem weltweit anerkannten "Leuchtturm der Wissenschaft" vorweisen kann. Hier sind 210 Millionen Euro jährlich geplant.
Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) und die Landesminister sitzen in der Gemeinsamen Kommission, die unter Federführung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Wissenschaftsrates die Projekte auswählt. Die Politiker haben in der unabhängigen Jury, die zum überwiegenden Teil aus ausländischen Wissenschaftern besteht, nicht das Sagen.
Das Etikett "Exzellenz-Uni" erhielten im Vorjahr die Uni Karlsruhe (für das Konzept der Gründung des Institute of Technology) und die beiden Münchener Unis TU und Ludwig-Maximilians-Universität. Dies schien den Kritikern recht zu geben, dass sich die Juroren selbst die größten Stücke sichern, zum ohnehin taubenreichen Süden weitere Tauben hinzufliegen und die Geisteswissenschaften benachteiligt sind.
Sie wurden eines Besseren belehrt, als im Oktober die Gewinner der zweiten Runde verlauteten. Neben kleineren Unis (Konstanz) konnten auch die Geisteswissenschaften (Berlin) reüssieren: die Freie Uni Berlin, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen sowie die Unis in Freiburg, Göttingen, Heidelberg und Konstanz. Somit erhalten 28 deutsche Hochschulen in den kommenden fünf Jahren die begehrten Mittel.
Als Beispiel diene das von der FU vorgelegte Netzwerkkonzept, mit dem man ein "internationales Exzellenzniveau in Forschung und Nachwuchsausbildung" sichern will. Neue Forschungsfelder sollen gefunden werden. Dann will man prüfen, ob das vorhandene Personal in der Lage ist, diese wissenschaftlich zu erschließen.
Das heuer gegründete Netzwerk für wissenschaftlichen Nachwuchs, das "Center for Graduate Studies" in Berlin-Dahlem, koordiniert und strukturiert die Doktorandenausbildung. Darüber hinaus unterhält das "Center for International Exchange" Zweigstellen weltweit, wie in New York, Peking, New Delhi und Moskau, die akademischen Nachwuchs aus dem Ausland für Deutschland anwirbt.
"Die Exzellenzinitiative schreibt Wissenschaftsgeschichte. Die Forschung an den deutschen Universitäten befindet sich auf einem internationalen Erfolgskurs. Ich bin davon überzeugt, dass mit diesen beiden Runden der Exzellenzinitiative ein großer Schritt in der Weiterentwicklung des deutschen Wissenschaftssystems ermöglicht wurde", verkündet Schavan stolz.
Skepsis kommt vom Soziologen und Elitenforscher Michael Hartmann (TU Darmstadt): "Bislang ist es in Deutschland aufgrund der relativ ausgeglichenen Qualität der universitären Ausbildung egal, wo man studiert hat, wenn es um die Bewerbung für eine Stelle geht. Das wird in Zukunft anders sein. Wie in den USA, Frankreich, Großbritannien oder Japan wird maßgeblich der Name der Hochschule Türen öffnen oder verschließen. Die Entscheidung über die zukünftigen Berufswege wird dann auch im Hochschulsystem - wie bisher schon in der Schule - sehr frühzeitig gefällt, intellektuelles Potenzial damit verschenkt."