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Zweiter HIV-Patient nach Stammzellentherapie virusfrei

Von Alexandra Grass

Wissen
© Ezume Images - stock.adobe.com

Dass die Therapie für die weltweit 37 Millionen HIV-Infizierten in Frage kommt, ist jedoch ausgeschlossen.


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Wien. Zum zweiten Mal scheint es Medizinern gelungen zu sein, einen HIV-Patienten vom Aids-Virus zu befreien. Dem an Blutkrebs erkrankten Mann waren Stammzellen eines Knochenmark-Spenders mit einer seltenen genetischen Veränderung transplantiert worden, berichten Wissenschafter im Fachblatt "Nature". In seinem Körper ist das Virus nicht mehr auffindbar. Die bisher einzige dokumentierte Heilung eines HIV-Patienten liegt rund zehn Jahre zurück. Auch hier hatte eine Knochenmark-Spende die Schlüsselfunktion eingenommen.

Bei dem "Londoner Patienten", wie er genannt wird, gebe es nun seit fast 19 Monaten kein Anzeichen des Aids-Virus, berichtet der Virologe Ravindra Gupta vom University College London. Bei seinem Patienten war 2003 HIV diagnostiziert worden, 2012 erkrankte er an Lymphdrüsenkrebs. Nach mehreren erfolglosen Chemotherapien wurde eine Knochenmarkstransplantation durchgeführt. Der Spender wies eine Genmutation auf, die einen Schutz vor HIV-Stämmen bietet. Eine Veränderung des Gens CCR5, das HI-Viren für gewöhnlich für ihren Eintritt in die Wirtszellen benötigen, machte ihn resistent gegen die Erreger. Zumindest im Blut seien keine Viren mehr nachweisbar. "Durch die Transplantation von Stammzellen mit der Mutation werden nur noch Immunzellen neu gebildet, die ebenso diese Mutation tragen und die Abwehrzellen des Patienten ersetzen", erklärt dazu die Mikrobiologin Doris Wilfingseder von der Medizinischen Universität Innsbruck gegenüber der "Wiener Zeitung".

Keine Standardtherapie

Gewebe haben die Mediziner aber keines untersucht, merkt Gupta an. Er spricht daher vorerst vorsichtig von einer Remission anstatt von Heilung - also einem Ausbleiben von Krankheitssymptomen. Das Virus kann viele Jahre in verschiedenen Zellen schlummern. Dennoch hat es den Anschein, als dürfte Timothy Ray Brown, der als "Berliner Patient" in die Medizingeschichte einging, Gesellschaft bekommen. Seine Behandlung verlief vor zehn Jahren sehr ähnlich - unter sehr ähnlichen Umständen.

Seither sind schon eine weitere Handvoll mehr Betroffene mittels Stammzellen und Knochenmarks-Spende behandelt worden - mit ausbleibendem Erfolg. Manche konnten die antiretroviralen Arzneien zwar eine Zeit lang absetzen, doch entweder kehrte das Virus oder der Krebs zurück, der schließlich zum Tode führte. "Der letzte Erfolg ist zehn Jahre her. Ich hatte daher mit einem Misserfolg gerechnet", so Gupta.

Dass diese Form der Therapie für das Gros der weltweit 37 Millionen HIV-Infizierten in Frage kommt, ist nahezu ausgeschlossen. "Die Therapie ist riskant und oft mit langanhaltenden Nebenwirkungen verbunden", sagt Wilfingseder. Eine Stammzellentransplantation ist oft die letzte Therapiewahl bei Leukämien oder Lymphomen. Es muss damit gerechnet werden, dass die neuen Immunzellen den Körper des Empfängers als fremd erkennen und angreifen.

Die Forscher werfen dennoch weiter ein Auge auf die CCR5. Es könnte der Schlüssel zur Heilung sein, betonen sie in der Publikation. Steven Deeks von der University of California sieht Möglichkeiten, das Gen auch ohne risikoreiche Interventionen lahmzulegen. Ein Forscherkollege aus Pennsylvania, Pablo Tebas, entfernte weiße Blutzellen von HIV-Patienten und veränderte die CCR5-Gene mittels der Genschere CRISPR/Cas-9. Die modifizierten Zellen wurden schließlich wieder rückgeführt.

Bei 15 Patienten wurde die Standardtherapie in Folge ausgesetzt. Der Erreger kehrte zurück, aber später als bei Betroffenen ohne solche Transplantation. Das sei weit entfernt von einer Heilung, könnte aber dennoch "ein Weg für die Zukunft" sein, betont Tebas.

Weg der Zukunft

"Auch wenn wir die Welt nicht mittels Stammzellentransplantationen heilen können, so sind die Informationen dennoch wichtig, um zu ergründen, wie wir breitenwirksamer zur Erfolgen finden können", so die Forscher. Fälle wie jene von Brown und vom "Londoner Patienten" seien aber "eine starke Motivation, nach neuen Strategien, neuen Zielproteinen auf Wirtszellen und neuen Methoden zu forschen, um HIV endlich heilen zu können", betont Wilfingseder.

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