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Zweites Hilfspaket bis Jahresende

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft

Experten verhandeln unter Hochdruck Details zu Hebel und Schuldenschnitt.


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Brüssel. In den frühen Morgenstunden haben sich die 17 Staats- und Regierungschefs der Eurozone am Donnerstag wie erwartet auf die Grundzüge eines umfassenden Gesamtpakets für einen Ausweg aus Krise geeinigt. Ein zweites Rettungspaket für Griechenland über 137 Milliarden Euro nimmt Gestalt an. 100 Milliarden davon sollen frisches Geld vom Eurorettungsschirm EFSF und dem Internationalen Währungsfonds IWF sein, bis Jahresende sollen alle Details stehen. Die zähesten Verhandlungen gab es über den dafür nötigen Schuldenschnitt um 50 Prozent für die griechischen Außenstände bei Banken und Versicherungen.

Schon zuvor war klar gewesen, dass die Kreditlinien des EFSF wohl auf mehr als eine Billion Euro gehebelt werden sollen. Das soll vor allem dazu dienen, auch um größere Länder wie Italien oder Spanien einen finanziellen Schutzwall gegen Spekulanten zu bauen. Zudem sollen die Banken bis Juli 2012 ihr hartes Kernkapital auf 9 Prozent aufstocken.

Die Europäische Bankenaufsicht EBA schätzt die notwendigen Mittel für die Rekapitalisierung der europäischen Banken nach einer ersten Prognose auf 106,447 Milliarden Euro. Dieser Betrag bezieht sich auf die bisherigen Stresstestkriterien, die um die Bewertung der griechischen Staatsanleihen zum Marktpreis per 30. September 2011 statt wie bisher zum Nominalwert erweitert wurden.

Die Außenstände Griechenlands bei Banken, Versicherungen und Pensionsfonds betragen rund 210 Milliarden Euro - ein Abschlag von 50 Prozent kostete die Gläubiger daher gute 100 Milliarden Euro. Das ist annähernd ein Drittel des aktuellen griechischen Schuldenbergs. Der soll mit dem Schnitt von derzeit mehr als 160 Prozent der Wirtschaftsleistung - Tendenz steigend - auf 120 Prozent im Jahr 2020 reduziert werden.

Antreten zum "Haircut" - aber bitte freiwillig

Wie dieser finanztechnische Stunt genau ablaufen soll, konnten selbst einschlägige EU-Experten am Donnerstag nicht erklären. Das liegt auch daran, dass zahlreiche Details noch mit den Vertretern des Privatsektors ausgehandelt werden müssen, wozu sich diese bereit erklärt haben. Klar sei bloß, dass der Schnitt "freiwillig" erfolgen müsse, hieß es. Ansonsten drohe durch die Fälligkeit von Kreditausfallsversicherungen (Credit Default Swaps/CDS), von denen niemand genau wisse, wer sie hält und in welchem Umfang, ein wahrer "Flächenbrand" am Finanzsektor.

Daher haben die Eurozonen-Chefs beschlossen, den Banken die Abschläge für die Griechen mit 30 Milliarden Euro zu versüßen. Das könnte laut einem Kommissionsexperten ganz vereinfacht gesprochen so funktionieren: Eine Bank bekommt für eine griechische Staatsanleihe über 100 Euro, deren Kurs sich ohnehin auf Talfahrt befindet, eine neue Schuldverschreibung über 50 Euro. Griechenland haftet davon aber nur mehr für 35 Euro, für die restlichen 15 steht die Eurozone gerade - zum Beispiel der EFSF. Das neue Wertpapier wäre also sicherer als das alte.

Extrem komplex ist diese Aufgabe vor allem deshalb, weil sehr viele griechische Staatsanleihen zu unterschiedlichsten Zinssätzen und Laufzeiten bei den Banken kursieren, die alle auch unterschiedlich umgewandelt werden müssen. Erst wenn diese Aufgabe gelöst ist, kann auch das zweite Notkreditpaket für Griechenland finalisiert werden. Die öffentliche Hand in Form von EFSF und IWF muss dafür 137 Milliarden Euro mobilisieren. Zu den neuen 100 Milliarden kommen noch 37 Milliarden, die vom ersten Hilfspaket - über 110 Milliarden Euro - übrig bleiben, wenn die aktuelle Acht-Milliarden-Tranche an Athen ausgezahlt wurde.

Allseits gefragter Hilfsfonds EFSF "bis zum Fünffachen"

Ganz ähnlich wie beim Schuldenschnitt sieht es auch beim Hebel für den Kreditrahmen des EFSF aus, der künftig an allen Fronten gefragt sein dürfte. "Bis zum Fünffachen" soll er ohne Erhöhung der zugrunde liegenden Garantien von 780 Milliarden Euro aufgeblasen werden können, ohne sein Triple-A-Rating zu verlieren. Als Zielwert wird in den Gipfelbeschlüssen vorerst "rund eine Billion" genannt.

Nach den Rettungspaketen für Griechenland, Irland und Portugal bleiben dem EFSF noch gut 250 Milliarden Euro. Wie genau der Hebel funktioniert, müssen die Finanzminister und Experten der Eurozone im November klären. Die Staatsanleihen schwächerer Euroländer könnten mit EFSF-Mitteln gegen Kursverluste quasi teilkaskoversichert und/oder von neu zu schaffenden Spezialfinanzierungsgesellschaften aufgekauft werden. Diese würden von EFSF, IWF und anderen interessierten Triple-A-Investoren gemeinsam betrieben und finanziert.