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Zweites Linz am Schwarzen Meer

Von Helmut Dité

Wirtschaft

Stahlkapazität soll auf elf Millionen Tonnen steigen. | Neue Rekorde bei Gewinn und Umsatz. | Wien. Kaum schlägt sich der übernommene Edelstahlkocher Böhler-Uddeholm erstmals als Wachstumsschub in einer Voestalpine-Bilanz nieder, schon plant beim Linzer Stahl und Verarbeitungsriesen ein 60-köpfiges Team den nächsten Quantensprung: An der Schwarzmeerküste soll ein neues Stahlwerk die Kapazität bis Anfang 2013 auf 11 Millionen Jahrestonnen verdoppeln. Die massive Kundennachfrage und das dynamische Marktwachstum in Südosteuropa seien mit Linz allein nicht mehr zu bewältigen, betonte Konzernchef Wolfgang Eder am Dienstag bei der Präsentation der Halbjahreszahlen in Wien. Mutmaßungen, man trete damit die Flucht vor strengen Umweltauflagen oder hohen Lohnkosten an, ärgern ihn: "Das ist beides völlig haltlos. Die Kunden wollen mittelfristig mehr von uns. Wir müssen mit ihnen mitwachsen oder wir laufen Gefahr, sie zu verlieren, so einfach ist das."


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Der Standort Linz selbst - "das ist schließlich das modernste und vor allem auch umweltfreundlichste Stahlwerk Europas, wenn nicht weltweit" - werde dadurch keinesfalls beeinträchtigt oder bedroht, betonte Eder. "Wir werden bis 2010, wenn auch das neueste Investitionsprogramm L6 abgeschlossen ist, insgesamt 3 Milliarden Euro in Linz investiert und dort dann auf 6 Millionen Jahrestonnen erweitert haben." Dann aber sei die Obergrenze endgültig erreicht - schon rein flächenmäßig.

Für den neuen Komplettstandort mit Hafen "auf der grünen Wiese", der jährlich 5 Millionen Tonnen Stahl produzieren soll, kommen "prinzipiell alle Anrainerländer des Schwarzen Meeres in Frage". Genauere Standort-Evaluierungen in Rumänien, Bulgarien, der Ukraine und der Türkei habe man noch nicht vorgenommen. "Neben der Küstenlage und Donauanbindung geht es auch um die Rohstoffbasis und - das scheint das größte Problem zu sein - die Facharbeiter."

Die Grundsatzentscheidung über das Projekt soll 2008 fallen, die Produktion könnte frühestens Ende 2012 oder Anfang 2013 anlaufen. Die Investitionskosten dafür wollte Eder noch nicht beziffern: "Das wäre so früh unseriös."

Zur Refinanzierung der Übernahme von Böhler-Uddeholm hat die Voestalpine erst kürzlich eine Hybridanleihe im Volumen von 1 Mrd. Euro platziert. Der Ankauf von bis dato 80,3 Prozent an Böhler hat bisher 3 Mrd. Euro gekostet - für die Komplettübernahme braucht die Voest laut Eder 3,7 Mrd. Euro. Bis November 2008 laufe ein entsprechender Überbrückungskredit. Für den dann noch offenen Restbetrag könne ein syndizierter langfristiger Bankkredit aufgenommen werden. Je nach Marktumfeld sei aber auch noch die Begebung einer Anleihe im Volumen von mindestens 500 Millionen Euro denkbar, sagte Finanzvorstand Robert Ottel: "Da warten wir in Ruhe ab, wie sich der Finanzmarkt entwickelt, wir haben keinen Druck."

Gesamtjahr mit Rekord

Obwohl der Ankauf der Böhler-Gruppe im ersten Halbjahr 2007/08 deutlich auf den Ertrag der Voestalpine drückte, stieg er dennoch kräftig auf neue Rekordwerte. Der Gewinn je Aktie erhöhte sich von 2,01 auf 2,74 Euro - ohne die Sondereffekte infolge des Deals, die in Form einer laut IFRS-Bilanzierungsregeln erforderlichen "Kaufpreisallokation" (Purchase Price Allocation, PPA) Eingang in die Bilanz finden, wäre der Ertrag allerdings um rund 60 Prozent auf 3,3 Euro je Aktie noch kräftiger gestiegen. Der bilanzielle Sondereffekt sei unmittelbar nach der Übernahme groß, werde aber dann mit der Abschreibung zurückgehen, erklärte Ottel.

Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) erhöhte sich in den ersten sechs Monaten um mehr als 37 Prozent auf 612 Millionen Euro - ohne PPA wäre ein Zuwachs um 63 Prozent auf 732 Millionen verbucht worden. Der Ertrag nach Steuern (Jahresüberschuss) verbesserte sich von 328,8 auf 434,4 Millionen Euro. Der Umsatz stieg von 3,37 auf 4,75 Milliarden Euro.

Die Synergien aus der Übernahme - ursprünglich mit 65 Millionen Euro beziffert - liegen nun bei 81 Millionen, ab 2010 sieht Eder 100 Millionen Euro pro Jahr als realistisch an - vor allem beim Rohstoffeinkauf und in der EDV.

"Das Gesamtjahr 2007/08 wird eine weitere Rekordbilanz - die vierte en suite - bringen", da ist Eder sicher. Mittelfristig sei die "Gelassenheit und Sicherheit" der letzten Jahre aber vorbei, der schwache Dollar und die hohen Rohstoffpreise machten nachdenklich. "Aber unsere Qualität bleibt sehr, sehr gefragt."