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Seit Montag ist bekannt, was die Beteiligten im Bawag-Prozess während einer längeren Verhandlungspause tun: Sie studieren die Verhandlungsprotokolle, analysieren und hinterfragen das Gesagte und Getane. Dass dies zu überraschenden Ergebnissen führen kann, bewies Johann Zwettler: Nach 52 Verhandlungstagen und mehr als 250 Stunden Befragung legte er zu Beginn der letzten Prozesswoche in diesem Jahr ein Teilgeständnis ab.
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Ob dies nun ein kluger Schachzug - in der Hoffnung auf ein mildes Urteil aufgrund eines reumütigen Geständnisses - oder eine Notbremsung angesichts einer aussichtslosen Situation war, darüber waren sich die Prozessbeobachter nicht einig. Tatsache ist, es war eine 180-Grad-Kehrtwende auf den letzten Drücker.
Bisher stand Zwettler nicht sonderlich im Fokus des Prozesses. Klar, er ist einer jener Angeklagten, denen der größte Schaden vorgeworfen wird. Während des Prozesses hielt er sich jedoch stets dezent zurück und überließ den anderen Angeklagten das Schlachtfeld. Vor allem ließ er sich nicht in die Auseinandersetzungen zwischen Elsner und Wolfgang Flöttl hineinziehen. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, dass er über die Karibik-Geschäfte ebenso wenig informiert war, wie es die Vorstände Christian Büttner, Hubert Kreuch und Josef Schwarzecker vorgeben - und vielleicht auch waren.
Tatsächlich wusste der damalige Bilanzchef über die Flöttl-Deals und vor allem über die Verluste sehr genau Bescheid. Ob sein Geständnis daher wirklich so "mutig" war, wie man von einigen Prozessbeobachtern hörte, ist eher zweifelhaft. Vieles deutet deshalb darauf hin, dass seine Beichte eine Verzweiflungstat war, denn spätestens am Mittwoch wäre wohl zutage getreten, wie tief Zwettler in der Sache mit drinnen steckte. Dann nämlich wird der Sachverständige Thomas Keppert sein Gutachten zu den Bawag-Bilanzen präsentieren.
Ob Mut oder Verzweiflung, leicht gefallen ist dem 66-Jährigen dieser Schritt augenscheinlich nicht. Seine Erklärung verlas er mit stockender Stimme und um Haltung ringend. Fast rührend war das Bild, als ihm im Anschluss Thomas Kralik, der Anwalt des ebenfalls angeklagten Wirtschaftsprüfers Robert Reiter, aufmunternd auf die Schulter klopfte.
Für Reiter war Zwettlers Beichte übrigens ebenso wenig ein Grund, etwas an seinem "nicht schuldig" zu ändern, wie für die übrigen Angeklagten. Aber immerhin folgt nun eine siebenwöchige Verhandlungspause, in der sie die Protokolle studieren und das Gesagte und Getane analysieren und hinterfragen können.
Mit seinem Geständnis hat es Johann Zwettler seinen Mitangeklagten jedenfalls nicht leichter gemacht, an ihrer Unschuldsbehauptung festzuhalten. Zwettler hat sich jedenfalls im letzten Moment die Chance auf ein mildes Urteil von Richterin Claudia Bandion-Ortner bewahrt.