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Zwischen Aufbruch und Untergang

Von Daniel Bischof

Politik
Die Begeisterung der Anwesenden hielt sich anfangs in Grenzen.
© Daniel Bischof

FPÖ startete ihren Wahlkampfauftakt in Niederösterreich in Wiener Neustadt mit alten Parolen.


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Wiener Neustadt. Geht es nach so manchem Bewohner, ist Wiener Neustadt eine Stadt am absteigenden Ast. Eine Stadt, in der nichts Positives geschieht. Eine Stadt, die langsam abstirbt. Geht es nach den anderen, ist Wiener Neustadt ein aufsteigender Ort. Ein Ort, in dem sich einiges zum Guten wendet. Ein Ort, der wirtschaftlich aufblüht. "Eine Aufschwungsstimmung" gebe es in der Stadt, erzählt etwa ein Gastronom, der gleich beim Hauptplatz ein Lokal betreibt. Durch Baumaßnahmen werde die Innenstadt wiederbelebt. Neue Arbeitsplätze seien im Entstehen. Die Stadtregierung leiste gute Arbeit. "Der Bürgermeister ist ein Volltrottel, der nichts für das Volk macht", schimpft man hingegen in einem Beisl beim Stadtpark.

Es gebe zwar Arbeit, aber niemand wolle arbeiten. Nachts könne man angesichts der steigenden Kriminalität auch nicht mehr ausgehen: "Ab 22 Uhr sind nur mehr Trottel unterwegs", meint ein junger Mann. In Wiener Neustadt, einer Stadt, die zwischen Untergangs- und Aufstiegsstimmung hin- und hergerissen ist, veranstaltet die FPÖ am Dienstagabend ihren Landeswahlkampfauftakt in Niederösterreich.

Wiener Neustadtals Blaupause

Mit allerlei Popsongs beschallen die Freiheitlichen bereits am Nachmittag den Hauptplatz der Stadt - einige italienische Schlager wie "Azzuro" sind zu hören. Bereits einige Zeit vor dem offiziellen Beginn versammeln sich ein Dutzende Menschen auf dem Platz. In Wiener Neustadt entwickle sich nichts zum Guten - so wie überhaupt auf dem ganzen Planeten, meint einer der Besucher. Für die Antwort auf die Frage, wen er denn wähle, holt er weit aus: "Wahlen sind nur da, um uns zu sagen, dass wir frei sind. Wir sind aber nicht frei. Es wird immer die unten und die oben geben." Er pausiert kurz und sagt dann: "Alles andere ist Blasphemie. "

Mit der Zeit füllt sich der Platz allmählich. Im überwiegend männlichen Publikum finden sich einige Familien mit Kindern. Zwei junge Mädchen mit Kopftuch halten einen blauen Ballon der "Freiheitlichen Wirtschaft" in die Luft. Nach einem mehr als einstündigem Aufritt einer Coverband wird das Publikum langsam unruhig. Bald geht es los, versichert die Band mehrmals, bevor sie weitere Hits wie "YMCA" oder "Country Roads" spielt.

Dann beginnen die Reden. Doch auch die Eröffnungsworte des Nationalratsabgeordneten Walter Rosenkranz lösen noch keine wahren Begeisterungsstürme in der Menge aus.

Sein Verweis, dass man in Wiener Neustadt sehe, dass eine Beteiligung der Blauen in einer Regierung positive Veränderungen bringe, wird noch mit relativ verhaltenem Applaus goutiert. Seit Februar 2015 wird Wiener Neustadt erstmals von einem ÖVP-Bürgermeister regiert. Die SPÖ hatte bei den Gemeinderatswahlen im Jänner 2015 nach 70 Jahren an der Macht die absolute Mandatsmehrheit verloren. Die neue Stadtführung setzt sich nun aus der ÖVP, FPÖ, den Grünen und zwei Listen zusammen. Eine Koalition bilden die Parteien aber nicht - es bestehen lediglich Vereinbarungen zwischen den einzelnen Fraktionen und der Volkspartei Wiener Neustadt.

Kickl: Angst, dass Kurzzum Islam konvertiere

Nach dem Auftritt von Walter Rosenkranz, tritt Herbert Kickl an das Podium. Er weiß, mit welchen Sprüchen er die Menge begeistern kann. Der FPÖ-Generalsekretär nimmt gleich zu Beginn auf die Diskussion um die geplante, dann aber abgesagte Schutzmauer vor dem Regierungsviertel in Wien Bezug. Er bezeichnet sie als "Bonzen-Limes". Er verstehe nicht, warum man nun plane, Poller statt der Mauer aufzustellen: "In der Regierung hat man schon so viele Pfosten", sagt er. Viel Applaus und Gelächter im Publikum.

Man müsse der "Herr im eigenen Haus bleiben" und dürfe nicht zum Filialbetrieb "des Herrn Erdogan" werden, fordert Kickl weiter. Er habe überhaupt Angst, dass Kurz selbst zum Islam konvertiere. Bald werde man in der Bundeshymne nicht mehr "die Dome besingen", sondern ganz andere Gebäude.

Strache: Austausch der Gesellschaft verhindern

Kurz vor 19 Uhr tritt dann FPÖ-Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache vor die von Kickl angeheizte Menge. "Strache. Ich sehe ihn!", sagt ein junger Mann, der sich auf seine Zehenspitzen stellt. "Es ist fünf nach zwölf", verkündet Strache gleich zu Beginn. Während er anfangs noch relativ verhalten Steuersenkungen, die Abschaffung der "ORF-Zwangsgebühren" und "Zwangsmitgliedschaft in der Arbeiter- und Wirtschaftskammer" fordert, wird sein Ton zunehmend aggressiver.

"Tauschen wir die rot-schwarze Regierung aus, bevor sie unsere Gesellschaft austauscht", sagt er. Die Willkommenskultur sei "unverantwortlich gewesen", das Öffnen der Grenzen ein "Rechtsbruch". Eigentlich gehöre die Regierung dafür vor Gericht gestellt, meint er - und erntet dafür lauten Jubel von den Zuschauern.

Die Menge scheint nun durchaus zufrieden zu sein. Nicht so jedoch der Lokalbesitzer, der sich die Rede angeschaut hat, in sein Gasthaus zurückgekehrt ist und gelangweilt im Vorbeigehen in sich hinein murmelt: "Eigentlich ist es immer das Gleiche". Nicht nur über die Zukunft der Stadt sind sich die Bewohner uneinig.