Die Visa-Affäre ist der peinlichste Skandal im Außenministerium seit langem. Und es bleiben große Zweifel, wenn das Außenamt jetzt - übrigens nicht zum erstenmal - beteuert, dass die Abläufe künftig missbrauchssicher seien.
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Das ist bei 400.000 Visa im Jahr schlicht unmöglich. Trotz aller nun gelegten bürokratischen Schleifen (so ist nun jede Intervention nach oben zu melden) entscheidet letztlich immer ein Mensch, ob jemand einreisen darf. Und damit ist Fehlern Tür und Tor geöffnet. Überdies konnten, so klagen Insider, die Kontrollen wie so oft wegen des Datenschutzes nicht effizient genug durchgeführt werden.
Auf der anderen Seite haben die Menschen aus dem GUS- und Balkan-Raum enormes Interesse, in ein Schengen-Land zu kommen. Als Tourist, als Schwarzarbeiter oder als Krimineller. So sind 70 Prozent der Belgrader Studenten noch nie in einem dieser Länder gewesen. Das alles löst enorme Energien aus. Ein Spitzendiplomat gibt freimütig zu: "Wir stehen der Organisierten Kriminalität gegenüber."
Gleichzeitig hat es die EU bis heute nicht geschafft, ein gemeinsames konsularisches System aufzubauen, sei es zur Ausstellung der Visa (obwohl diese in allen Ländern des Schengen-Vertrags gelten), sei es zur Betreuung der reisenden Europäer; allein die Österreicher machen jährlich fünf Millionen Auslandsreisen!
Dennoch bleibt auf dem Außenamt ein dunkler Schatten. So müssen sich die beiden letzten Ministerinnen vorhalten lassen, dass sie die Causa allzu lange mit spitzen Fingern an den Generalsekretär abgeschoben haben. Offenbar wollten sie mit dieser unguten Affäre möglichst wenig in Zusammenhang gebracht werden. Was freilich kontraproduktiv ist.
Überdies sind vom Generalsekretär bis zum ganzen Kabinett (und diesen beiden Ministerinnen) alle Akteure Diplomaten. Und Diplomaten haben vom ersten Arbeitstag an einen starken Corpsgeist, was angesichts der exponierten Auslandseinsätze nicht ganz unverständlich ist. Während etwa im Innenministerium ein extern rekrutiertes Kabinett viele Konflikte mit der Beamtenschaft auslöste, war im Außenministerium daher lange massive Konfliktscheu zu konstatieren.
Dazu kommt, dass im Außenamt der Job des Generalinspektors (der Konsulate kontrolliert) seit Monaten unbesetzt hat. Natürlich werden Gerüchte dementiert, dass die letzte Inspektorin nach oben befördert worden ist, weil sie zu scharf durchgreifen wollte . . .