In immer mehr Ländern Europas tauchen Werbeplakate auf, die Studenten mit älteren Reichen zusammenbringen sollen.
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Wien. Junge, schöne Frauen und wohlhabende, ältere Männer. Laut einer Kampagne für eine Datingplattform die ideale Kombination für alle, die "Romantik, Leidenschaft, Mentoring" und einen "luxuriösen Lebensstil" suchen. So ist es zumindest auf den mobilen Werbeplakaten zu lesen, die seit Sommer auf Anhängern in immer mehr Ländern Europas unterwegs sind und diese Woche erstmals auch in Wien gesichtet wurden. Die zweideutigen Plakate haben hier allerdings gar keine Genehmigung, wie Recherchen der "Wiener Zeitung" ergaben. Die Stadt und das Frauenministerium kündigten Konsequenzen an.
Die Plakate zeigen eine junge Frau mit rotem Lippenstift, die gerade von einem Mann geküsst wird, und richten sich gezielt an Studenten. "Hallo Studenten!", steht darauf geschrieben, "datet einen Sugardaddy oder Sugarmama." Die jungen Frauen wären dann die Sugarbabies, die Sugardaddies daten - es gibt aber auch Sugarmamas für männliche Studierende, so die Erklärung auf der entsprechenden Webseite. Hier finden sich noch mehr Details zum Beispiel zu Sugardaddies: "Sie sind erfahren und genießen attraktive Gesellschaft an ihrer Seite. Geld ist kein Problem, also sind sie großzügig, wenn es darum geht, ein Sugarbaby zu unterstützen." Und weiter: "Holen Sie sich den jugendlichen Spaß zurück in Ihr Leben, was nur mit einer jungen Dame möglich ist." Das Motto lautet: "Rich meet beautiful."
Frankreich lässtden Fall rechtlich prüfen
Der Grat zwischen Dating und Prostitution ist allerdings schmal. Auf der Webseite ist zwar in keinem Satz von Sex die Rede, belgische Behörden haben aber bereits im September Ermittlungen wegen des Verdachts der Anstiftung zur Prostitution aufgenommen. Die Polizei beschlagnahmte die Plakate. Bei der belgischen Variante war das Dekolleté einer spärlich bekleideten jungen Frau zu sehen - konkret viel Haut und ein wenig roter BH. Dazu heißt es aus dem Französischen übersetzt: "Hey Studentinnen! Verbessert Euren Lebensstil, geht mit einem Sugardaddy aus." Das Bild kurvte rund um die Freie Universität Brüssel.
In Frankreich, wo das Plakat bei der Pariser Uni zu sehen war, wird der Fall laut Gleichstellungs-Staatssekretärin Marlene Schiappa rechtlich geprüft.
Die Plakate in Wien dürften hier eigentlich von vornherein gar nicht unterwegs sein - für diese liegt nämlich laut Magistratsabteilung 46 (Verkehrsorganisation) keine Genehmigung vor. Konkret gehe es um die Bewilligung nach dem Gebrauchsabgabegesetz und der Straßenverkehrsordnung, da es sich um eine Nutzung öffentlicher Verkehrsflächen zu verkehrsfremden Zwecken handle, heißt es. Da diese Bewilligung nicht vorliege, "werden wir uns in dieser Angelegenheit unverzüglich mit der Landespolizeidirektion Wien in Verbindung setzen, die hierzu die Exekutivfunktion hat", so die MA 46 weiter. Die Tatsachen, dass der Anhänger, auf dem das Plakat steht, von einem polnischen Reklamehersteller ist und das Auto ein ungarisches Kennzeichen hat, änderten nichts an der Bewilligungspflicht.
Weitere Konsequenzen drohen. Das Frauenministerium habe nach Nachfrage der "Wiener Zeitung" die Stadt Wien informiert, die für Prostitution zuständig ist, heißt es - das Wiener Prostitutionsgesetz ist Landessache. Das Ministerium prüfe, ob hier Rechtswidrigkeit vorliegt. Man habe den Fall zudem an den Werberat weitergeleitet, der Werbung unter anderem auf Sexismus prüft. Dieser dürfte hier allerdings gar nicht zuständig sein, da er ausschließlich bei genehmigten Werbungen zum Einsatz kommt - ein Teufelskreis.
Von juristischer Seite betrachtet, erkennt Katharina Beclin vom Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien grundsätzlich noch nichts strafrechtlich Relevantes. Die Seite wende sich offenbar an Volljährige, und es dürfte sich, wenn überhaupt, höchstens um ein Anwerben zur Prostitution und kein "Zuführen" im Sinne des § 215 StGB handeln, meint sie. Der Tatbestand Zuhälterei erfordere ein "Ausnützen" der Prostituierten - eine normale Vermittlungsgebühr könne man nicht als "Ausnützen" sehen.
Ein möglicher Anknüpfungspunkt könnte allerdings der grenzüberschreitende Prostitutionshandel sein, weil in diesem Fall ein "Anwerben" ausreichen würde. Da das Angebot aber eher wie eine Partnervermittlung aufgezogen sei, sei es schwierig, hier von "Anwerben" für die Prostitution zu sprechen, sagt Beclin.
Lena Köhler vom Vorsitz der
Österreichischen Hochschülerschaft der Uni Wien sieht das Problem von vornherein ganz woanders gelagert. Dass sich die Sugardaddy-Werbeplakate gezielt an Studenten richten, sei deren schlechten sozialen Lage geschuldet.
Daher sei es "wenig verwunderlich, dass es zu solchen Dingen kommt", sagt Köhler. "Studenten, die sich prostituieren, sind kein Einzelfall." Konkrete Zahlen gebe es freilich nicht, die Dunkelziffer sei hoch. Die Werbeplakate aus Wiens Straßen zu verbannen, ist in ihren Augen nicht die Lösung des Problems. Vielmehr müsse man sich um die soziale Lage der Studenten kümmern.
Diese scheint auch dem Geschäftsführer der Datingplattform, dem Norweger Sigurd Vedal, bewusst zu sein. Die finanzielle Situation der Studenten, deren Internetaffinität und die Tatsache, dass viele auf der Suche nach einem erfolgreichen Mann seien, habe ihn die Kampagne in der Nähe von Universitäten starten lassen, sagt Vedal zur "Wiener Zeitung". "Sie brauchen Geld mehr als andere, suchen aber nach mehr als nur Geld." Der Großteil der 430.000 Mitglieder der im August gegründeten Plattform seien Studentinnen. Auf vier Sugarbabies komme ein Sugardaddy. Der Beitrag für ein Monat koste bis zu 79 Euro.
Seit Start der Kampagne am Montag dieser Woche in Österreich hätten sich bereits 7000 österreichische Mitglieder angemeldet. Das Ziel seien 100.000 Mitglieder bis Ende 2017, sagt Vedal.
Die Aufregung rund um die Plattform kann Vedal nicht nachvollziehen. "Es ist nicht so, dass unsere Mitglieder zahlen und dafür Sex bekommen", sagt er. "Das wäre ja kriminell." Jedem stehe es frei, zu daten, wen er will. Einige suchten auch nach einem potenziellen Ehemann auf der Plattform.
Markteinstieg in einemLand nach dem anderen geplant
Von Schweden, Dänemark und Norwegen ausgehend seien die mobilen Plakate in einem immer größeren Umkreis unterwegs. Der Plan sei, in einem Land nach dem anderen in den Markt einzusteigen. Die "emotionalen" Reaktionen, wie Vedal sie nennt, in Belgien und Frankreich hätten ihn überrascht - in Holland, Italien und Spanien habe es kein einziges kritisches Wort gegeben.
Wie sich die Situation in Österreich entwickelt, wird sich zeigen. Davon, dass die Plakate in Wien gar nicht genehmigt sind, wisse er nichts, sagt Vedal. Mit den Details der Kampagne sei er nicht vertraut. Jeder, der in fremden Ländern mit neuen Marken operiert, setze sich Risiken aus. Ob sie nun die gesetzliche Lage oder die Reaktionen der Menschen betreffen - "es ist ein steter Kampf, um zu gewinnen".