Eine Einigung bei der Mindestsicherung war bereits am Tisch, sagt Alois Stöger. Ober- und Niederösterreich aber stellen sich quer.
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Wien. So nah wie noch nie - und plötzlich wieder in scheinbar unerreichbarer Ferne. Eine Lösung in der schier endlosen Diskussion um die Reform der Mindestsicherung im Rahmen der Erneuerung der 15a Vereinbarung zwischen Bund und Ländern sei bereits am Tisch gelegen, sagt Sozialminister Alois Stöger. Er sei der ÖVP maximal entgegengekommen, mit ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der seit Ende Juni die Koordination der ÖVP-geführten Bundesländer innehat und mit dem laut Stöger in den letzten Wochen verhandelt wurde, habe es deutliches Einvernehmen auf ein Reformpaket der Mindestsicherung gegeben. Doch der ÖVP-Chef hat die Rechnung ohne die Länder gemacht.
Lange bevor eine Einigung in Sichtweite kam, hatte Oberösterreich mit der Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte Tatsachen geschaffen. Niederösterreich will, wenn es keine bundesweite Einigung gibt, am 17. November nachziehen. Ähnlich wie in Oberösterreich soll eine "Mindestsicherung light" für Asylberechtigte kommen: Wer in den letzten sechs Jahren nicht mindestens fünf seinen Hauptwohnsitz in Österreich hatte, soll nur mehr 572,50 Euro erhalten - inklusive Integrationsbonus. Ebenfalls geplant ist eine Deckelung für Familien bei 1500 Euro.
ÖVP lehnt Kompromiss ab
Genau dieses Modell - inzwischen auch "Mindestsicherung 1" genannt - machen die ÖVP-Bundesländer Ober- und Niederösterreich offenbar Stöger zur Bedingung. Dessen Modell lehnen der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer und der niederösterreichische ÖVP-KlubchefKlaus Schneeberger ab. Geeinigt hätten sich Mitterlehner und Stöger auf eine Deckelung bei 1500 Euro für Familien, ausgenommen Aufstocker, Menschen mit Behinderung und Betreuungspflichten - was besagten Ländern ebenfalls ein Dorn im Auge ist. Weiters sah der Kompromiss für Asylberechtigte einen Sockelbetrag von 520 Euro monatlich plus 317 Euro Integrationsbonus vor. Nach dem Vorbild Vorarlbergs sollte der Integrationsbonus die Bezugsberechtigten zur Absolvierung von Deutschkursen und weiteren Integrationsmaßnahmen verpflichten. Auch auf das von der SPÖ geforderte Integrationsjahr sowie eine Wohnsitzauflage von fünf Jahren für Asylberechtigte ohne sozialversicherungspflichtigen Job habe man sich geeinigt, heißt es aus dem Sozialministerium. Ein tauglicher, sozial ausgewogener Kompromiss also, sagt Stöger.
Von einer Kompromissbereitschaft Mitterlehners will Josef Pühringer hingegen nichts gewusst haben. Er sei "nicht guter Hoffnung, dass es zu einer Einigung kommt", am Donnerstag legte ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka via "Krone" nach und forderte erneut eine Kürzung der Mindestsicherung für Asylwerber. Lopatka sieht die Österreicher mehrheitlich hinter der ÖVP-Position und beruft sich auf eine OGM-Umfrage, wonach 70 Prozent für eine Kürzung der Mindestsicherung für Aslyberechtigte eintreten. Jemand, der arbeite, dürfe nicht der Dumme sein, pflichtete Klaus Schneeberger am Donnerstag bei, "jeder Normalsterbliche in Österreich versteht das, nur der Herr Stöger nicht."
Der Sozialminister sieht seinerseits die ganze Republik durch zwei Bundesländer in Geiselhaft genommen. Die ÖVP solle sich "am Riemen reißen" und sich hinter ihren Obmann stellen, richtete Stöger aus. Doch der ÖVP-Chef sieht sich plötzlich keineswegs in einer Allianz mit dem Sozialminister. Stöger verkenne offensichtlich die Dinge, ließ Mitterlehner am Donnerstag wissen, man habe Stöger lediglich "unterstützt", eine gemeinsame Lösung zu finden, wenn Stöger nicht auf die ÖVP-Forderung nach Mindestsicherung light eingehe, gebe es eben in Zukunft länderweise Regelungen. Und daran sei dann Stöger schuld. Die Töne im Mindestsicherungsstreit geben längst die Länder vor.
Stöger unter Druck
Scheitern die Verhandlungen tatsächlich, muss sich Mitterlehner seitens der SPÖ fehlende Handschlagqualität vorwerfen lassen. Mit einigem Interesse erwartet man in der SPÖ deshalb am Freitagvormittag dessen Grundsatzrede. Man sei gespannt, in "welcher Position und für welche ÖVP er sprechen wird", war am Donnerstagabend aus SPÖ-Parlamentskreisen zu hören. Für die ÖVP sei die Mindestsicherung jedenfalls ein Wahlkampfthema, eine wirkliche Bedrohung der Koalition aber ist der Dauerstreit nicht, hieß es aus dem Sozialministerium.
Für den Sozialminister hat sich damit der Druck, rasch eine Einigung zu erzielen, beträchtlich erhöht. Die 15a Vereinbarung über die Mindestsicherung läuft mit Jahresende aus, ziehen neben Ober- und Niederösterreich bei einer Kürzung für Asylwerber noch weitere Länder nach, wird die Situation vor allem für die Bundeshauptstadt brenzlig. Für das laufende Jahr musste Wien bereits 130 Millionen Euro nachdotieren. Aufgrund der verhältnismäßig hohen Leistungen in Wien und der Attraktivität der Hauptstadt für Asylberechtigte punkto Jobmöglichkeiten und sozialer Vernetzung droht in naher Zukunft eine weitere Steigerung der Kosten.