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Zwischen "Fehlstart" und "bravourösem" Beginn

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Voggenhuber tadelt Schüssel, Karas lobt. | EuGH-Kritik für Europaexperten problematisch. | Brüssel/Wien. Für Johannes Voggenhuber war es ein "veritabler Fehlstart". Für den Beginn der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft findet der Grüne Europaparlamentarier kaum lobende Worte. So habe es verwirrende Aussagen zum Ratifizierungsprozess der EU-Verfassung gegeben und empörende Kritik am Europäischen Gerichtshof (EuGH). "Einerseits will Schüssel Harmonie und Schwung in Europa reinbringen, andererseits spielt er auf dem Klavier der antieuropäischen Gefühle" stellte Voggenhuber in Wien fest.


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Anders sieht dies der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas. Seiner Meinung nach hat Österreich die "erste Bewährungsprobe bravourös überstanden". Während Voggenhuber "in Wien raunzt", habe Wirtschaftsminister Martin Bartenstein in Brüssel "ganze Arbeit geleistet", um die Gasversorgung der EU-Staaten zu sichern, meinte Karas. Voggenhuber hingegen verwies darauf, dass sich Bartenstein "geweigert" habe, in dem Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln.

Unabhängige Instanz

Zurückhaltender äußert sich Karas zu Schüssels EuGH-Kritik. Der Bundeskanzler hatte dem Höchstgericht vorgeworfen, nationale Kompetenzen zu unterwandern und eine Debatte über die mangelnde Verhältnismäßigkeit von Urteilen gefordert - was für Voggenhuber eine "Ungeheuerlichkeit" ist. Über Urteile und ihre Begründungen lasse sich immer reden, findet wiederum Karas. "Aber ich gehöre zu denen, die Entscheidungen von Gerichtshöfen nicht in die Tagespolitik hineinziehen", fügt er hinzu.

Für Heinrich Neisser, Professor für Politik der europäischen Integration an der Innsbrucker Universität, ist Schüssels Vorstoß problematisch. "Der EuGH ist eine unabhängige Instanz, die in einem Rechtssystem besondere Bedeutung hat", erklärt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Auch wenn es viele Regierungschefs gebe, denen die Urteile des Gerichtshofes nicht gepasst hätten - letztlich seien diese zur Kenntnis genommen worden.

"Es ist keine gute Optik, wenn eine Regierung die Kompetenzen des Gerichtshofes beschneiden will", sagt Neisser. Wenn aber eine Diskussion über eine Institutionenreform geführt werde, dann müsste sie über Kritik am EuGH hinausgehen. Dies sei jedoch ein Großprojekt, das über einen kurzen Zeitraum nicht realisierbar sei.

Johannes Voggenhuber jedenfalls sieht noch eine Chance für einen Neustart Schüssels. Am 18. Jänner stellt der Ratspräsident sein Programm dem Europaparlament vor.